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Rotterdam verbindet Österreich CO2-sparsam mit der Welt

Es gehört viel Mut dazu, um von alten Traditionen abzuweichen. Insofern muss man den Verantwortlichen des Rotterdamer Hafenbetriebes gratulieren. Sie fassten vor mehr als fünf Jahren den Entschluss zur Neugestaltung der Veranstaltungen mit den geschätzten Kunden und Geschäftspartnern.

Man wollte ihnen eine kurze Ablenkung vom Berufsalltag bieten, anstatt sie in beliebig austauschbaren Nobelhotels mit Vorträgen und im Anschluss daran mit einem Buffet zu unterhalten. Jedes Land bekam die Chance zur Ausarbeitung von Vorschlägen. Es ist nicht bekannt, wie lange Franz Zauner, Repräsentant des Hafen Rotterdam in Österreich, sich darüber den Kopf zerbrochen hat. Doch seine Entscheidung erwies sich offenbar als glückliche Wahl.

Zumindest ging am 18. Juli 2019 auf der Trabrennbahn in Baden zum fünften Mal die „Rotterdam Trophy“ über die Bühne. Zu diesem Anlass lädt Franz Zauner die österreichischen Partnerunternehmen des niederländischen Seehafens zu einem ungezwungenen Zusammensein ein. Es gibt der Höflichkeit halber eine kurze Begrüßungsansprache. Dann können sich die Gäste bei Speisen und Getränken austauschen, sämtliche Einrichtungen der Trabrennbahn besichtigen, Pferdewetten abschließen oder sich einfach nur unterhalten. Im ersten Jahr hielt sich das Interesse der Vertreter aus dem Kreis der Linienreedereien, Speditionen, Bahngesellschaften, Containeroperateure und Terminalbetreiber noch in Grenzen. Doch jetzt kamen schon 70 Personen zu dem Event, Tendenz steigend.

Zu den Stammgästen aus den Niederlanden gehört Matthijs van Doorn. Der Manager Logistics im Hafenbetrieb Rotterdam hat allen fünf Veranstaltungen beigewohnt. Er schätzt die Atmosphäre auf der Trabrennbahn in Baden und pflegt hier die Kontakte mit den österreichischen Geschäftspartnern. Das tut er – analog zu Franz Zauner – in einer sehr angenehmen Art und Weise. Man unterhält sich über dieses und jenes und streut zwischendurch die eine oder andere für den Hafen Rotterdam relevante Botschaft ein. In diesem Jahr verließen die Teilnehmer die Veranstaltung mit der Überzeugung, dass der niederländische Seehafen die Digitalisierung der Prozesse im Bestreben nach noch mehr Effizienz und Transparenz entschieden vorantreibt und das Abwicklungsschema für den „Port Shuttle“ zwischen den Containerterminals optimiert.

Rotterdam wächst seit Jahren beständig. Diese Entwicklung ist verschiedenen Umständen geschuldet. Einmal leisten die Betriebe der Hafenwirtschaft gute Arbeit und festigen so die Geschäftsbeziehungen mit den Stammkunden in den BeNeLux-Staaten, England, Irland, Skandinavien, Deutschland, Schweiz, Norditalien, Österreich, Polen, Tschechien und Slowakei. Das Resultat sind steigende Transportvolumina. Dazu kommt die gezielte Ausweitung des Aktionsradius im Wirtschaftsraum Zentraleuropa. Das fängt in den süddeutschen Bundesländern Baden Württemberg und Bayern an und reicht von Österreich bis nach Ungarn und Westrumänien.

Durch das steigende Umweltbewusstsein in weiten Teil der Wirtschaft ist der Hafen Rotterdam auf den Ausbau der Bahnverbindungen angewiesen. „Dabei haben wir in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt“, erläutert Matthijs van Doorn im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Er bekräftigt das mit den aktuell rund 250 Zügen pro Woche, dem Anstieg der Bahnpartner auf 25 Eisenbahnverkehrsunternehmen und mit der Suche der relevanten Kundenkreise am Rhein nach Alternativen zur Binnenschifffahrt bei Niedrigwasser. Letzteres könnte den maritimen Ladungsströmen auf der Schiene vor dem Hintergrund des Klimawandels in den nächsten Jahren einen deutlichen Auftrieb verleihen.

In 2018 summierte sich das Bahnaufkommen auf den Verbindungen von und nach Rotterdam auf 1,2 Mio. TEU. Davon entfielen rund 750.000 TEU auf das maritime Substrat und 450.000 TEU auf die Shortsea-Verkehre mit dem Vereinigten Königreich und Skandinavien. Matthijs van Doorn rechnet fix mit einer Zunahme des Transportvolumens auf der Schiene. Mit ein Grund für seine Zuversicht ist die Aufnahme von Rotterdam in das Streckennetz des privaten Eisenbahnverkehrsunternehmens boxXpress.de GmbH (Hamburg). „Wenn ein deutsches Unternehmen mit Spezialisierung auf Containertransporte auf der Schiene einmal nach Rotterdam kommt, dann hat das schon Signalwirkung“, lautet sein Urteil.

Durch den neuen Bahnkunden erhält der Hafen Rotterdam Direktverbindungen auf der Schiene von und nach Stuttgart, Wörth und München, für die European Rail Shuttle die Rolle als Operator einnimmt. „Das stärkt unsere Position in Bayern, wo wir unseren Marktanteil seit 2015 auf rund vier Prozent vervierfachen konnten“, berichtet Matthijs van Doorn. Im Österreich-Verkehr besetzt der Hafen Rotterdam im Segment Container mit mehr als 50.000 TEU Jahresaufkommen etwa 8 Prozent des Marktes. Diesen Wert wollen die Verantwortlichen mit maßgeblicher Unterstützung durch den lokalen Repräsentanten Franz Zauner so schnell wie möglich auf rund 10 Prozent erhöhen.

Das dafür notwendige Bahnangebot ist mit jeweils drei Rundläufen pro Woche zwischen Rotterdam auf der einen sowie Wolfurt, Linz und Wien auf der anderen Seite vorhanden. „Wir arbeiten an einer vierten wöchentlichen Vorarlberg-Frequenz und haben einen Bahnshuttle-Service nach Salzburg auf unserer Wunschliste“, sagt Matthijs van Doorn. Auch die Einrichtung einer Direktverbindung auf der Schiene nach Ungarn kann sich der Manager Logistics im Hafenbetrieb gut vorstellen, „wobei man hier maritime und kontinentale Sendungen kombinieren müsste“. Generell gestalte sich die Bedienung dieses Landes aufgrund des Wettbewerbs mit den Nord- und Südhäfen schwierig, während auf der Tschechien-Achse eine gut eingespielte Verbindung der Metrans bestehe.

Was die „Maritime Seidenstraße“ betrifft, bezeichnet Matthijs van Doorn China als einen super-relevanten Handelspartner für Rotterdam. Mit rund 4,5 Mio. TEU pro Jahr steuert das Reich der Mitte rund ein Drittel zum Gesamtumschlag im niederländischen Seehafen bei. Ausschlaggebend dafür sind abgesehen von den hochfrequenten Verbindungen die zahlreichen Dienste mit „first port of call“ für Importe nach Europa und „last port of call“ für die Ausfuhren. Außerdem stehen die Terminals auf der Maasvlakte sieben Tage in der Woche rund um die Uhr für den Anlauf von Großcontainerschiffen der 20.000 TEU-Kategorie mit voller Zuladung offen. Das bewirkt attraktive Stückkosten pro Container und Bestwerte beim CO2-Fußabruck. Und als schnelle Alternative dazu ist Rotterdam via Tilburg und Rotterdam über die „Eiserne Seidenstraße“ regelmäßig mit China verbunden.

JOACHIM HORVATH

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