Auf dem Holzweg

Im März 2021 wurde bei der UNESCO der gemeinsame Antrag Österreichs, Tschechiens, Deutschlands, Lettlands, Polens und Spaniens zur Nominierung der Flößerei als immaterielles Kulturerbe der Menschheit eingereicht.

Text: Peter Baumgartner

Die multinationale Arbeitsgruppe mit zahlreichen Vertretern von Flößerverbänden, den UNESCO-Kommissionen und Kulturministerien dieser sechs Länder, arbeitete fast drei Jahre lang an der gemeinsamen Nominierung. Das polnische Kulturministerium koordinierte den Prozess. Hauptanforderung war der Nachweis, wie das immaterielle Kulturerbe der Flößerei weiterentwickelt wird. Am 1. Dezember 2022 kam nun das Konferenzergebnis der UNESCO-Beratung aus Marokko als gute Botschaft. Die Flößerei ist ab sofort Weltkulturerbe und damit kulturell auf Augenhöhe mit der Spanischen Hofreitschule. Für die Flößer ist die Eintragung in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Welt ein krönender Abschluss Jahrzehnte langer Bemühungen und gegenseitiger Motivation, das alte Wissen und die alten Fähigkeiten zukünftigen Generationen weiterzugeben.

Die Baumstämme werden zu Flößen verbunden. Quelle: Polnisches Kulturministerium

Die General Conference of the United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) führt seit 2003 die Sammlung des immateriellen Kulturerbes durch. Bisher umfasst die Liste 640 Werte aus 140 Ländern. Die Entscheidung zur Aufnahme in die repräsentative Liste ist nicht immer einfach, weil Bewerbungen oft völlig unterschiedlich betrachtet werden. Spannungsfelder sind zum Beispiel Kommerz und Tourismus, Genderfragen oder unterschiedliche Auffassung über die Tiernutzung. Auch Religion und Minderheiten spielen eine Rolle. Zu den Zielen dieses Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes zählen deren Erhaltung, die Gewährleistung der Achtung vor dem Kulturerbe, die Bewusstseinsförderung und Wertschätzung bei internationaler Zusammenarbeit. In den Bereich „immaterielle Kulturerbe“ fallen zum Beispiel mündliche Überlieferungen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Vehikel des immateriellen Kulturerbes; darstellende Künste; soziale Praktiken, Rituale und festliche Veranstaltungen; Kenntnisse und Praktiken in Bezug auf die Natur und das Universum und traditionelles Handwerk. Die beiden zuletzt genannten Bereiche stehen in direktem Zusammenhang mit der Flößerei.

Drau-Flößer. Quelle: IBBS

Vor der Eisenbahn und noch vor der Dampfmaschine war die Flößerei, eine schwimmende Plattform aus zusammengebundenen Baumstämmen in verschiedenen Größen, ein wichtiges Transportmittel. Besonders mächtige Exemplare, das sogenannte „Holländer Floß“, fand man am Rhein. Nahezu überall wo Holz zur Verfügung stand und gebraucht wurde, war die Flößerei das maßgebliche Transportmittel. Einerseits waren die Flöße gleichzeitig Transportmittel und Ladung, die am Bestimmungsort zerlegt und verkauft wurde, anderseits wurde mit Flößen aber zusätzlich Ladung und Personen transportiert. Sogar Waffentransporte, sind zum Beispiel in den Türkenkriegen per Floß von Kärnten bis nach Ungarn dokumentiert. Überlieferungen im Zusammenhang mit Holztransporten sind schon aus dem 12. Jahrhundert belegt. Geendet hat dieser Wasserstraßentransport schließlich mit der Ausbreitung der Eisenbahn. Traditionelle Flößerverbände, die diese historische Transportkultur pflegen, gibt es jedoch sehr viele. Ursprünglich eine reine „Männerdomäne“, begeistern sich heute auch Frauen für die Flößerei. Damals wie heute, ist die Flößerei jedoch ein nicht ungefährlicher Beruf, der neben viel Erfahrung auch Geschick erfordert. In Anlehnung an die Weidenruten, mit denen die Baumstämme verbunden werden sagt man, „Das Leben eines Flößers hängt an einer Wiede“. Dokumente aus einem Kirchenregister belegen zum Beispiel, dass bei der Flößerei auf der Enns zwischen 1880-1940 36 Flößer bei 34 Unfällen gestorben sind. Auch juristisch trug der Floßführer die gesamte Verantwortung „an Bord“. Im Gesetz über die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei von 1895 steht zum Beispiel: „Der Floßführer haftet für jeden durch die Vernachlässigung der Sorgfalt entstandenen Schaden nicht nur dem Dienstherrn, sondern auch dem Absender und dem Empfänger des Floßes, sowie den Personen der Floßmannschaft“. Viele Flussstrecken, die heute noch aus Tradition mit Flößen befahren werden, sind durch Kraftwerksbauten entschärft und daher nicht mehr so gefährlich. Dennoch gibt es noch genug Fahrgebiete, die nautisch herausfordernd sind und die volle Kompetenz eines guten Flößers abverlangen. Immerhin sind heutzutage oft sehr viele Passagiere – auch Kinder – mit an Bord, die über keine speziellen Kenntnisse verfügen. Einer der bekanntesten Flößer in Österreich, Franz Brandner aus Wallsee/Donau, erwarb schon 1954 das amtliche Zeugnis des Flößers. Auf seinen Kulturfahrten durch die Wachau unter dem Motto „Fluss der Illusionen“, waren bis zu 200 Passagiere auf dem Floß. Weit über die Landesgrenzen hinaus, sind auch die Drau Flößer bekannt. Sie veranstalten alljährlich ein mehrtägiges Flößerfest mit Gästen aus dem In- und Ausland.

Flöße sind für Kinder ein besonderes Erlebnis und vermitteln ein Hucklebarry Finn-Gefühl. Quelle: IBBS

Eng verbunden mit der Flößerei ist das Holzschwemmen, Schwemmen oder Triften. Auch eine uralte Gewerbetradition, bei der die Holzstämme oft über eigens angelegte Schwemmkanäle aus den Wäldern geschwemmt wurden. Um dann zum Beispiel bei der Einmündung in die Donau zu großen Flößen verbunden zu werden. Bekannt ist zum Beispiel der Schwarzenbergsche Schwemmkanal (1789). Eine künstliche Wasserstraße mit etwa 80 Kilometer Länge, die eine Transportverbindung zwischen Donau und Böhmerwald darstellte. Das erste Holz aus dem Böhmerwald kam am 23. April 1791 in Wien an und war zuvor nur 9 Tage auf der Wasserstraße unterwegs.

Brückenpassagen gelten in der Flößerei als besondere nautische Herausforderung. Quelle: IBBS

Kunsthistorisch ist uns das Floß vor allem durch den französischen Maler Théodore Géricault in Erinnerung, der mit seinem „Floß der Medusa“ für große Aufregung sorgte und zahlreiche weitere künstlerische Arbeiten provozierte.

Sprachwissenschaftlich sind die typischen Flöße wie wir sie kennen, mit den traditionellen, tamilischen Fischerbooten verwandt. Diese werden „Kattumaram“ genannt, was so viel bedeutet wie zusammengebundene Bäume (kattu=binden, maram=Holz). Auch diese speziellen Boote sind heute noch in Verwendung. Sprachlich verwandt, aber eine ganz andere Bauweise, ist der Catamaran. Ein Boot oder ein Schiff mit einem Doppelrumpf.

2022 war das Internationale Flößertreffen in Sarajevo. 2023 wird das Flößertreffen vom 18. – 21. Mai 2023 in Wolfratshausen stattfinden.

LINK: Timber Rafting is Intangible Cultural Heritage of Humanity  https://www.youtube.com/watch?v=8q8WPtdaYcQ

Beitragsbild Quelle: IATR, Die erfolgreiche Flößer Delegation nach der Ernennung in Marokko

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