Auf dem Wasser zu Hause

COVID-19 fegt zurzeit nicht nur Städte und Autobahnen, sondern auch die Wasserstraße leer. Die stolze Flotte der 5-Sterne-Flusskreuzfahrtschiffe liegt zum Zwangsaufenthalt verdonnert im Hafen und die ohnehin unterbeschäftigte Frachtschifffahrt leidet unter rückgängigen Nachfragen der verladenden Industrie. Selbst die flexiblen Ausflugsschiffe auf Flüssen und Seen finden keine Kundschaft mehr. Alles steht im vermeintlich sicheren Hafen. Aber ist das wirklich ein sicherer Hafen? In Zeiten wie diesen, ist der „sichere Hafen“ ziemlich unsicher.

Je länger der Zwangsaufenthalt für die Schiffe dauert, umso unsicherer wird das wirtschaftliche Überleben der Schifffahrtstreibenden. Schnell kann so aus dem sicheren Hafen ein Schrottplatz für Schiffe werden, die auf dem Markt nicht mehr gebraucht werden, weil es keine Passagiere mehr gibt, die gemütlich am Wasser reisen möchten, oder weil der Laderaum dauerhaft leer bleibt. Für die Besatzungen verliert der Begriff „Heimathafen“ seine sichere Bedeutung.

Nur die wenigsten Schiffe befinden sich nämlich tatsächlich in ihrem Heimathafen. Abgesehen davon, dass manche Schiffe vom Rhein oder von der Donau ihren selbstgewählten Heimathafen in der Steueroase auf Malta ohnehin niemals anlaufen könnten. So mancher Matrose sitzt jetzt auf seinem Schiff in einem fremden Land – verurteilt, auf unbestimmte Zeit abwarten zu müssen. Der Vergleich mit den Flüchtlingsbooten an der europäischen Küste drängst sich in Zeiten wie diesen förmlich auf. Sie haben den vermeintlich sicheren Hafen Europa angesteuert und müssen feststellen, hier sterben sie zwar nicht im Bombenhagel, aber vielleicht an medizinischer Unterversorgung oder an hygienisch unzumutbaren Umständen. Insofern haben es die gestrandeten Besatzungsmitglieder in den Häfen entlang der Wasserstraßen mit COVID-19 noch gut getroffen. Dennoch stellen wir betroffen fest: Wir sitzen alle im selben Boot – La di la di o-hey. Und einer davon bist du (Songtext von Pop-Band Dschinghis Khan/1981).

Ihr Peter Baumgartner

Quelle: Binnenschiff-Journal 2/2020

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