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Binnenschifffahrt und der nasse ÖPNV im „Land am Strome“

Wenn die Verkehrsexperten und Verkehrspolitiker im Land wieder ein neues „Flaggschiff“ im ÖPNV vom Stapel lassen und durch die Medien treiben, dann hat das Projekt ganz sicher nichts mit Schifffahrt zu tun.

Warum das so ist? Die inflationäre Verwendung nautischer Begriffe findet im allgemeinen Sprachgebrauch flächendeckend und unwidersprochen statt. Selbst die falsche Verwendung der unter Strafe stehenden Berufsbezeichnung Kapitän, schreckt die Leute nicht ab. Sogar der Firmenchef einer Lederhosenfirma wird flugs zum Kapitän ernannt. Auch im Verkehrsbereich – spricht man zum Beispiel von „Mobilität im Fluss“, ist garantiert von der Bahn und nicht von der Schifffahrt die Rede. Anscheinend sind nautische Namen insbesondere im Journalismus so beliebt, dass sie auch dann Verwendung finden, wenn überhaupt kein inhaltlicher Zusammenhang mit dem Text besteht. Ein Schiff ist also in der öffentlichen Wahrnehmung selten ein Schiff und es schaut fast so aus, als bräuchte man in vielen Situationen, Entscheidungen oder Handlungen gar nicht erst an das Schiff zu denken. Im Hinterkopf hat man automatisch den Gedanken, es gibt zwar irgendwo Schiffe, aber die braucht man höchstens im Sommer, damit die Feriengäste ein bisschen herumschippern können.

Manchmal hat diese Ignoranz gegenüber einem Verkehrsträger, der nicht nur besonders umweltfreundlich ist, sondern auch viel ungenütztes Potential besitzt, fatale Folgen. Die Cargo-Schifffahrt kann ein Lied davon singen. Aber auch die Passagierschiffe sind weit davon entfernt, die Leistungen erbringen zu können, für die sie historisch eigentlich bestimmt waren. Vor dem aktuellen Hintergrund des sogenannten „Klimaticket“ der Verkehrsministerin, sprechen wir in diesem Beitrag vom beachtlichen Input, den die Schifffahrt zum ÖPNV leisten könnte. Keine Frage, der Verkehr ist wesentlich an der Umweltverschmutzung „schuld“ und es herrscht Einigkeit darüber, alles daran zu setzen, die Verkehrsemissionen drastisch zu reduzieren. Es liegt also nahe, in diesem Bereich an allen – auch an kleineren – Schrauben zu drehen, um die ambitionierten Ziele zu erreichen. Verkehrsexperten und Verkehrspolitiker versuchen das auch und nehmen gerade sehr viel Geld dafür in die Hand. Aber, sie verlieren keinen Gedanken an den Beitrag, den die Schifffahrt leisten könnte. Die Schifffahrt ist für den ÖPNV in Österreich nicht existent. Auf die konkrete Frage, warum das so ist, gibt das grüne Klimaschutzministerium bekannt, dass Schiffe primär eben nur dem Tourismus dienen (der braucht keinen ÖPNV?) und kaum Relationen abdeckt, wo nicht ohnehin schon Bus oder Bahn fahren. Die Frage der Netzdichte oder die Wirtschaftlichkeit, spielt bei dieser Argumentation offensichtlich keine Rolle. Aber um das herauszufinden, müsste man halt ein wenig nachdenken. Außerdem meint das Ministerium, die Schifffahrt verfolgt eine andere Tariflogik als Bahn und Bus und passt demnach nicht in das Verbundsystem. Da ist gewiss was dran, denn eine wirtschaftlich geführte Reederei kann gegen einen subventionierten Bahnbetrieb nicht konkurrenzieren. Aber vielleicht will man im Verkehrsverbund den vorhandenen Kuchen nur nicht in kleinere Stücke teilen. Je weniger Teilnehmer am Tisch sitzen, desto größer werden die Kuchenstücke. Das ist verständlich. Dreh- und Angelpunkt sind anscheinend die Verkehrsverbünde, die gut mit öffentlichen Fördermitteln dotiert, nicht daran denken, sich mit neuen Ideen und innovativen Konzepten zu belasten. Die Politik macht es ihnen zusätzlich leicht. Sie verweist auf den gültigen Anforderungskatalog und zieht sich auf die Position des Zahlers zurück. Die Gewerkschaft, die bereits 2016 die Abschaffung der Verkehrsverbünde verlangt hat, hat vielleicht als Erste erkannt, dass diese verkrusteten Strukturen nicht zum Erfolg führen. Geändert hat sich inzwischen zwar nichts, aber mit dem exorbitanten Anstieg der öffentlichen Finanzierung des ÖPNV, wächst auch der Ruf nach zentraler Steuerung und Abkehr vom Verbünde System.

Die Bereitschaft der Binnenschifffahrt, sich in ein Gesamtsystem für den ÖPNV einzubringen ist durchaus vorhanden. Dem Branchenverband „Ship Austria“ ist es sogar schon gelungen, wenigstens grafisch in einigen öffentlichen Fahrplanverzeichnissen aufzuscheinen. Da ist von einem gemeinsamen Ticketing natürlich keine Rede, aber immerhin erfährt der Kunde etwas über nasse Anschlussmöglichkeiten. Seit Jahren hält die Hallstatt Schifffahrt die Verbindung vom Bahnhof über den See zur Ortschaft aufrecht. Auch im Winter. Als wichtiger Beitrag zum örtlichen ÖPNV zählt das aber nicht. Die Weissensee PremiumCARD, bietet einen unbegrenzten und kostenfreien Zutritt zu allen Bus- und Shuttle-Angeboten der Region sowie zur Schifffahrt und den Bergbahnen. Entwickelt und eingeführt wurde das Projekt vom Weissensee Tourismus im Mai 2021. Dieses Konzept ermöglicht autofrei mit Bahn oder Bus anzureisen und dadurch vor Ort autofrei mobil zu sein. Aber auch dieses richtungsweisende Angebot zählt nicht zum ÖPNV, sondern als „Zuckerl“ für die Urlaubsgäste.

Viele Schiffsbetriebe sind mit der Mitnahme von Fahrrädern quasi seit eh und je Teil einer unverzichtbaren Radinfrastruktur. Und die zahlreichen Fähren im Land sind nicht nur für Radfahrer, sondern auch für Schüler unerlässliche Verkehrsmittel. Dennoch, nach der Schreibweise des Klimaschutzministeriums zählt das alles nicht zur öffentlichen Verkehrsversorgung. Eine vielleicht rühmliche Ausnahme bildet das BodenseeTicket, bei dem auch der Vorarlberger Verkehrsverbund teilnimmt. Dieses ÖPNV-Angebot inkludiert auch den Fährverkehr am Bodensee, womit Österreich zumindest indirekt ein nasses ÖPNV-Angebot mitträgt. Im Oktober findet in Salzburg wieder die „Internationale Fachtagung für zukunftsweisende Mobilität“ statt. Man will „Die Kraft des Öffentlichen Verkehrs“ in den Fokus rücken und dabei ein Denken über den Tellerrand konventioneller Strategien und Methoden hinaus fördern. Schöne Ziele! Allein schon das Logo der Veranstaltung zeigt, auch hier wird die Schifffahrt in den Diskussionen und Vorträgen nicht stattfinden. Niemand aus dem Bereich der Schifffahrt wurde eingeladen und die inländischen Referenten haben mit Schifffahrt nichts am Hut. Die Hoffnung liegt bei den ausländischen Teilnehmern, dass sie wenigstens ihre Erfahrungen mit der Schifffahrt ansprechen. Denn anders als in Österreich, spielt die Schifffahrt in zahlreichen Ländern für den ÖPNV eine teilweise sehr wesentliche Rolle.

Zahlreiche Schifffahrtsgesellschaften in der Schweiz sind selbstverständlich in den öffentlichen Verkehr integriert. In Prag verbinden Schiffe oft nur auf kurzer Strecke andere Verkehrsmittel diesseits und jenseits der Moldau und dennoch sind sie fixer Bestandteil des ÖPNV (Prazska Integrovana Doprava-PID). In manchen Regionen, wo Schiffe schon lange eine zentrale Rolle im ÖPNV spielen, überrundet der innovative Modernisierungsschub Bahn und Bus. Beispielsweise in Stockholm. Ab 2023 sollen Elektroschiffe mit 60 Km/h den öffentlichen Verkehr beschleunigen. Wir wollen eine ganz neue Sichtweise auf den öffentlichen Nahverkehr zeigen, sagt die Erzeugerfirma der Schiffe. Die innovativen Fahrzeuge werden nicht nur billiger fahren, sondern auch komfortabler und vielseitiger sein. Die Hamburger fordern, dass es mehr Fähren auf der Elbe geben soll. Die Reederei Hadag, die im Hamburger Verkehrsverbund fährt, hat auf diese Forderung schon reagiert und den Ankauf neuer Schiffe EU-weit ausgeschrieben. Auf dem Fluss Tejo in Lissabon werden ab 2022 zehn neue E-Fähren im öffentlichen Verkehr eingesetzt. Sie werden schon jetzt als „Kernstück des öffentlichen Personennahverkehrs in Lissabon“ bezeichnet. Hintergrund dieser großen Investition ist, dass die Senkung der Treibhausgasemissionen auch in Lissabon oberste Priorität hat. Eine Kuriosität im ÖPNV leisten sich die Berliner Verkehrsbetriebe. Seit 1911 fährt dort eine Ruderfähre. Die Fahrt der F24, auch „Paule III“ genannt, dauert zwar nur fünf Minuten, aber die Fahrgäste ersparen sich dadurch weite Umwege. Merke – auch Kleinvieh macht Mist.

ÖPV-Prag Bild: IBBS

Die Liste jener Orte und Organisationen, für die Schiffe fixer Bestandteil des ÖPNV sind, ließe sich unendlich fortsetzen und jedes Jahr kommen neue innovative Projekte hinzu. Warum ein Land, dass die allseits beliebte Donau sogar in der Bundeshymne ehrt, so gar keine Aufgabe für die Schifffahrt hat, ist schwer verständlich. Zumindest logische Argumente fehlen – auch aus dem grünen Klimaschutzministerium.

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