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Das Schiff als Kulturgut

Was ist eigentlich eine Veränderung? Schon der griechische Philosoph Heraklit stellte ca. 500 vor Christus in seiner Lehre vom Fluss aller Dinge fest: „Alles fließt“, d.h. „Alles bewegt sich fort und nichts bleibt.“

GASTBEITRAG: KAPITÄTN PETER STEINDL.

Viele kultur- und technikinteressierten Menschen, die vom Donauufer aus die Schifffahrt beobachten und dabei Schiffe aus dem beginnenden 20. Jahrhundert betrachten, fragen sich ob es nicht Sinn machen würde, das eine oder andere Schiff weiterhin zu erhalten oder gar unter Schutz zu stellen. Bei den Beobachtungen fallen oftmals die besondere äußere charakteristische Formgebung des Schiffskörpers, der Aufbauten und der heute nicht mehr gebräuchliche Schiffsantrieb, wie die Schaufelräder auf.

Den Wenigsten ist bei ihren Überlegungen bewusst, dass erst mit Beginn der 1830er Jahre das Dampfschiff nautisch und technisch in der Lage war die Donau zu erobern. Einer der ersten, die die ungeahnten Möglichkeiten der Schifffahrt erkannten war Graf Szechenyi. Er war es, der die Hindernisse der Schifffahrt in der Kataraktenstrecke erforschte und maßgeblich an ihrer Beseitigung mitwirkte. Szechenyi unterstütze auch tatkräftig die technische Weiterentwicklung der Schiffe, sodass die damals marktbeherrschende Erste k.k. privilegierte Donau Dampfschiffahrts Gesellschaft zur Jahrhundertwende zur größten Binnenschifffahrt Reederei der Welt aufgestiegen war.

Wird nun ein historisches Schiff von Proponenten als erhaltenswert anerkannt, bedarf es oft jahrelanger Bemühungen bis es unter gewissen Voraussetzungen den Vorzug öffentlicher Beiträge für die Erhaltung und den Betrieb erhält. Im Zuge dieses Prozesses entsteht meist ein wünschenswerter Nebeneffekt, in dem Vereinsmitglieder oder eben besonders motivierte Schifffahrtsfreunde, die von ihrer Profession her nicht unbedingt vom Fach sind, also Schiffbauer, Schiffsbetriebsleiter oder erfahrene Schiffsführer, sich die erforderlichen Kenntnisse sukzessive mit Engagement aneignen und diese bei der Renovierung und im zukünftigen Betrieb auch anwenden.

Auf diese Weise können die Technik und die Bauweisen erhalten und ein professioneller Fahrbetrieb gewährleistet werden. Anfangs ist es jedenfalls am zweckmäßigsten und hilfreich fachlichen Rat bei ehemaligen Schifftechnikern und Fahrensleuten, die ihre Kenntnisse im Laufe ihres Berufslebens bei Reedereien erworben haben, einzuholen. Mit dem Erwerb der erforderlichen nautischen und technischen Kenntnisse können auch der Erhalt und die Weitergabe immateriellen Kulturgutes sichergestellt werden.

Seit den 1960er-Jahren werden auch Werke der technischen Kultur vermehrt als Kulturgut anerkannt, beispielsweise historische Verkehrsmittel wie Donauschiffe. Dies ist insofern von bereichsübergreifender Bedeutung, da man erkannte, dass das Schiff durch die Personenbeförderung auf der Donau und den schiffbaren Nebenflüssen im Österreich–Ungarn der damaligen Zeit, ganz entscheidend zum Zusammenleben der Menschen und zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft beitragen konnte.

In Zukunft gilt es daher den Bereich der historischen Schiffe genauer zu beobachten und das Wissen um die seinerzeit verwendeten Materialien und deren Bearbeitung zu vertiefen. Nur so kann bestmöglich sichergestellt werden, dass das erforderliche Wissen nicht verloren geht. Wie in anderen Branchen sollten reparaturbedürftige Maschinenteile aufgearbeitet um schließlich weiterverwendet werden zu können. Dabei sollte es oberstes Ziel sein, verschleißbedingten Ersatz von Teilen bei historischen Schiffen, ähnlich wie bei anderen beweglichen Kulturgütern, mit dem Ziel vorzunehmen, möglichst große Teile der originalen Substanz zu erhalten.

Darum ist es nur zu verständlich, wenn jedem Schifffahrtsfan, bei der Vorbeifahrt des letzten fahrtauglichen Personendampfschiffs (früher je nach Einsatzgebiet auch als Postschiff bezeichnet) „Schönbrunn“ auf der Donau, mit dem typischen Schlag der Radschaufeln, der Dampfpfeife und dem umlegbaren Kamin das Herz höher schlagen lässt. Dem Betreiber des Schiffs, der ÖGEG (Österreichische Gesellschaft für Eisenbahngeschichte) und ihren vielen fleißigen Helfern, die zum Gelingen des Projektes beitragen und beigetragen haben, muss an dieser Stelle ein aufrichtiger Dank ausgesprochen werden. Nicht auszudenken was aus dem Schiff, das einige Jahre ungenutzt stillgelegt worden war und von dem ohnehin schon das eine oder andere Sammlerstück „abhandengekommen“ war, geworden wäre. Denn was wäre unsere Welt ohne friedlich dahingleitende Dampfschiffe, die liebevoll restauriert wurden und die unsere Landschaft lebendig machen und Passagieren eine andere Perspektive auf die Welt, die durchaus beschaulich sein kann, eröffnen?

Ein anderes Beispiel, das nicht so erfolgreich endete: Unter der Devise aus Alt mach Neu wurde aus den in den letzten Tagen der Kriegsereignisse schwerst beschädigten DDSG Personendampfschiffen „Grein“ (ehemals „Carl Ludwig„, Bj. 1853) und „Johann Strauß“ (ehemals „Erzherzog Franz Ferdinand“, Bj. 1913) in der Schiffswerft Linz 1950 das letzte Dampfschiff mit dem Namen „Johann Strauß“ gebaut.

Dieses Schiff hat am 12.Juli 1952 gemeinsam mit der „Stadt Wien“ unter dem Jubel der Bevölkerung der Ufergemeinden die erste Fahrt von Linz nach Wien mit Durchfahrung der Demarkationslinie zwischen der amerikanischen und der sowjetischen Besatzungszone unternommen. Das Schiff war zu diesem Zeitpunkt, das am besten ausgestatte Fahrgastschiff. Es dokumentierte den unbändigen Willen der Österreicher, ihr Land aufzubauen und die Freizügigkeit der Bewegung über Zonengrenzen hinweg innerhalb der Staatsgrenzen zu erreichen. Bedauerlicherweise brach im Zuge einer Bergfahrt nach Linz im Jahre 1971 die Radwelle des Schiffes Zu einer Reparatur konnte man sich aus Kosten- und Wirtschaftlichkeitsgründen nicht entscheiden.

Das Schiff wurde 1974 verkauft und sollte zunächst bei Donau-km 1921 als Restaurantschiff Verwendung finden. Danach wechselte es den Besitzer und übersiedelte nach Wallsee. Ein weiterer Eigentümer überstellte das Schiff nach Regensburg, wo es zwischen 1980 bis 1985 als Restaurantschiff diente. Im Jahre 1985 kaufte der Wien Holding Betrieb WIGAST das Schiff. Nach Überstellung nach Wien durch die DDSG und aufwendigen Reparatur- sowie Adaptierungsarbeiten, wurde am Standort oberhalb der Marienbrücke im Wiener Donaukanal der Betrieb des „Johann Strauss Walzer-Cafes„ Anfang 1986 aufgenommen. Zunächst war das Konzept sehr erfolgreich, schließlich wechselten die Pächter, die auch die, in regelmäßigen Abständen erforderlichen Instandhaltungs- und Adaptierungsarbeiten nicht mit der nötigen Sorgfalt meist auch wegen fehlender Mittel nicht vornahmen. Der letzte Pächter, inzwischen bei Wiener Stadtpolitikern in Ungnade gefallen, ist mehreren Auflagen der MA 45 zu Mängelbehebung und zur Vorlage von diversen Nachweisen nicht in vollem Umfang nachgekommen.

Die zuständige Stadträtin hat alle juristischen und politischen Register gezogen um die „Johann Strauss“- ein „Schandfleck“- von ihrem Standort zu entfernen. Das ist zwar gelungen, das Schiff wurde abtransportiert und in Komarno verschrottet. Bedauerlicherweise sind für diese Aktion nicht geringe Mittel (weit mehr als 100.000 Euro) aus dem Haushalt der Stadt Wien aufgewendet worden.

Die „Johann Strauß“ hätte, wohlgemerkt in gepflegtem Zustand, weiter an ihrem Standort im Wiener Donaukanal sehr gut in das Stadtbild gepasst. Gleichzeitig wäre auch die Funktion als gut frequentierte Fremdenverkehrsattraktion bzw. als Gastronomiebetrieb erfüllbar gewesen. Für den Autor stellt sich die Frage warum die Stadtpolitik nicht engagierte Proponenten für den Betrieb und die Erhaltung dieses Kulturgutes, aus dem die Dampfmaschine leider schon längst ausgebaut worden war, gesucht und auch finanziell unterstützt hat. Die Entscheidung aus einem Justamentstandpunkt heraus zu fällen und durchzupeitschen, verletzt viele Mitbürger, die großen Wert auf die Erhaltung von Kulturgütern legen, und die Donaukanalufer nicht als Massen- Eventmeile sehen, sondern als
Erholungsgebiet.

Autor: Kapitän Peter Steindl, Mitglied der Österreichischen Delegation bei der Donaukommission in Budapest, Nautischer Abteilungsleiter bei der DDSG und dort auch Leiter der Auslands-Agentie in Ismail, hat selber praktische Erfahrungen auf Dampfschiffen gesammelt (PD SCHONKA Baujahr 1927 und FRANZ SCHUBERT Baujahr 1913).

Quelle: Binnenschiff Journal 5/2020

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