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Die Krone der Schöpfung (2)

Die Angler und ihr Einfluss auf die Biodiversität der Gewässer.

„Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht“ (Gen 1,28). Diesen Schöpfungsgedanken haben sich besonders die Angler auf die Fahnen geschrieben. Sie vermehren sich ständig und herrschen längst über alle Fische auf dem Planeten.

Der Fisch des Jahres 2021 ist die Äsche (Beitragsbild). Die „Graue Eminenz“ unter den Fischarten zählt auf der Roten Liste in Österreich zu den gefährdeten Arten und er ist es nicht allein. 40 Prozent aller Süßwasserfische gelten in Europa als gefährdet. Das bedeutet (lt. IUCN), Süßwasserfische sind doppelt so stark gefährdet wie terrestrische oder maritime Arten. Als Gründe werden genannt: Verschwinden der natürlichen Lebensräume durch den Wasserbau, Fressfeinde und die Klimaerwärmung. Besonders Querbauten in Flüssen, die der Energiewirtschaft oder der Schifffahrt dienen, stehen unter Anklage. Aber es gibt noch mehr Gründe und es ist nicht so populär diese auch zu benennen, weil es mächtige Lobbyinteressen trifft. Zum Beispiel die Verunreinigung der Gewässer durch die Agrar- und Chemiewirtschaft. Natürlich, die rechtfertigen sich damit, dass Grenzwerte eingehalten werden und selbstverständlich alles mit behördlicher Genehmigung abläuft. Wir wissen aber auch wie Grenzwerte zustande kommen und dass es „Störfälle“ gibt. Und wir wissen um die kriminelle Energie, die es halt leider auch in der Wirtschaft gibt. Wenn dem nicht so wäre, wären wir heute nicht da, wo wir ökologisch nicht sein sollten. Eine aktuelle WWF-Studie beklagt, dass der illegale Sandabbau die Struktur der Flüsse und damit den Lebensraum der Fische zerstört. Schließlich gibt es noch die Angler. Quasi die legitimen Feinde der Fische. Ihr Einfluss auf die Lebenswelt der Fische ist mannigfaltig.

Angeln zählt zur ältesten Art der Nahrungsbeschaffung. Heutzutage sind daraus allerdings ein Hobby und eine Art Freizeitbeschäftigung wie Fußball- oder Tennis geworden. Richtige Berufsfischer sind in der Minderheit. Legitimiert wird diese kollektive Jagd nach der Schwanzflosse durch die wissenschaftliche Erklärung, dass Angeln der Psyche guttut und sozialen Nutzen stiftet. An dieser Einschätzung muss etwas dran sein. Immerhin lassen sich die unzähligen Fischereivereine nicht wegleugnen. Und die Zahl der Mitglieder in diesen Vereinen braucht den Vergleich mit Fußballvereinen nicht zu scheuen. In Österreich geht man von mehr als 400.000 organisierten Anglern aus. In Deutschland sind es vier Millionen. 26 Millionen in Europa. Allein der älteste Verein in Österreich baut auf 11.000 Mitglieder, die alle den Fischen nachstellen. Neben wenig schmeichelhaften Anglermotiven sagt man Anglern auch nach, dass sie selber gar keine Fische essen, sondern den Fang lieber wieder „zurücksetzen“. Vorher muss der Fisch natürlich nach einem richtig harten Drill am Haken zappeln. Wenn er das überlebt, bekommt er noch eine Chance. Den Einwand, dass Fische ja auch Lebewesen sind und im Sinne des Tierschutzgesetzes als solche zu behandeln sind, lassen Angler in der allgemeinen Darstellung nicht gelten. Für sie haben Fische kein Schmerzempfinden und können also auch nicht geschädigt werden. Konrad Lorenz, für den Tiere generell etwas Menschliches hatten, würde für solche Aussagen wahrscheinlich wenig Verständnis aufbringen. Mehr und mehr Wissenschaftler sehen in Fischen bereits Lebewesen wie du und ich – was nichts daran ändert, dass Angler ihre Interessen zur Not auch sehr effizient juristisch durchzusetzen verstehen. Bei der Betrachtung von verschiedenen Vereinsstrukturen hat man das Gefühl, da stehen gut organisierte politische Vorfeldorganisationen im Hintergrund, die die Interessen der Mitglieder zu vertreten verstehen. In Corona-Zeiten kommen in manchen Vereinen mitunter leichte Selbstzweifel auf, weil angesichts der explodierenden Zahl an Mitgliedsbewerbern, die Vereinsarbeit nicht mehr bewerkstelligt werden kann. Immerhin sollen die Vereine ihre Kundschaft ja auch ausbilden und schulen, bevor sie auf den Fisch losgelassen werden. Und wenn der Zustrom an Mitgliedern täglich rasant wächst, kann es leicht sein, dass die Rechte zwar immer besser gewahrt, die Pflichten aber leicht vernachlässigt werden. Wie man sich angesichts der nackten Zahlen leicht vorstellen kann, wird sich auch die Wirtschaft dem lauten finanziellen Sirenengesang aus der Anglerwelt kaum verschließen können. Gerade in Corona-Zeiten lebt die Wirtschaft vom Angelsport hervorragend. Schließlich legt jeder Angler Wert auf die beste Ausrüstung für sein Hobby. Weltweit werden mit der Freizeitfischerei 100 Mrd. US-Dollar umgesetzt.

Das Heer an Anglern, das allein schon wegen der Mannstärke eine furchterregende Macht gegen die Fische darstellt, hat zudem unterschiedliche Kampfmethoden, denen selbst große Fische kaum etwas entgegenzusetzen haben. Die Folge ist eine Überfischung in Kombination mit zerstörerischen Fangmethoden, die dann entweder mit artfremdem Besatz wieder ausgeglichen werden muss, oder es wird durch Nährstoffzufuhr das Wachstum beschleunigt. All das trägt nicht zu einem gesunden Ökosystem bei. Schon gar nicht, wenn Angler in Wildcamps ihre Spuren hinterlassen. Berichten zufolge soll auch die Fischwilderei zunehmen. Gepaart mit der körperlichen und verbalen Gewalt gegenüber Fischaufsehern, gibt es also unter Anglern nichts, was es nicht gibt. Weltweit fangen Menschen laut WWF-Naturschutzstiftung jährlich bis zu 26 Millionen Tonnen Fisch illegal. Im Donauraum wird aktuell besonders medienwirksam das Aussterben des Störs beklagt. Die kolportierten Ursachen, die dazu geführt haben, dass der Stör nahezu aus der Donau verschwunden ist, erzählen leider ebenfalls nicht die ganze Wahrheit. Zum Beispiel war der Stör gerade wegen seiner wertvollen Kaviarfracht lange Zeit der meist gejagte Fisch. Eine ganze Kaviarindustrie bis hinunter in die kleinsten Dorfstrukturen, haben vom Kaviar gelebt. Jetzt zu behaupten, die Unterbrechung der Fischwanderung durch Querbauten sei allein schuld, ist die halbe Wahrheit und wird den Stör nicht retten. Selbst dann nicht, wenn man alle Kraftwerke niederreißt.

Anglerreisen – nur Lust auf die Natur?

Angler klagen oft, dass Binnenschiffe durch den von ihnen verursachten Wellenschlag die Kinderstube der Fische zerstören. Wenn sie allerdings selber stundenlang mit dem Motorboot durch das Schilf oder Naturschutzgebiet jagen, ist das für sie OK. Sehr beliebt sind sogenannte Anglerreisen. Angebote in allen Preisklassen finden da ihre Kunden. Die größte Buchungsplattform bietet aktuell 30.797 Fahrten an 1973 Orten in 109 Ländern an. Mehr als 100.000 Kunden hatte allein dieser Anbieter im vergangenen Jahr. Auf Anglerreisen im Donaudelta, kann man laut Werbung mit Motorbooten sogar in engen Kanälen und versteckten Gruben sein Anglerglück versuchen kann. Wer gerne im nächtlichen Donaudelta fischt, wird natürlich mit entsprechenden Lichtern versorgt. Wenn kümmern da die Brutgebiete und die einzigartige Flora und Fauna im Delta? Im grünen Paradies mit der angeblich weltweit reichsten ornithologischen Fauna und unzähligen Pflanzen und Tierarten, gibt es halt auch gut beworbene Anglerreiseangebote mit Fanggarantie. Die Einheimischen wissen schon, wo der Fisch schläft (im Wasserbett). Wer kann da schon widerstehen?  Ein anderes Beispiel ist Sibirien. Selbst da sind Süßwasserfische nicht mehr sicher. Man bewirbt das Zielgebiet als Naturwunder der Superlative. Hier kann man den Zaren unter den sibirischen Fischen jagen – den Taimen (Huchen). Allerdings sind die beliebtesten Fanggebiete am Fluss Sewernaja schwer zugänglich. Das hindert die Fischjäger jedoch nicht. Denn man kann eines dieser Luftkissenboote mieten, die mit ohrenbetäubendem Krawall drei Stunden bis zum Camp über den seichten Fluss rasen. Manche Anglerziele – alles eine Frage des Geldes, sind nur per Hubschrauber erreichbar und dort wo weder Hubschrauber noch Boot am Flussufer landen können, sorgen Panzerfahrzeuge für den Weg durch die dichte Vegetation. Dass dabei nicht die geringste Rücksicht auf die Lebenswelt im und am Fluss genommen wird, stört niemand. Selbstredend, dass die Fischjäger auch in der Zeltbasis nicht auf die Annehmlichkeiten der Zivilisation verzichten müssen. Von der Vollpension bis zu Dusche und WC ist mitten in der Ursprünglichkeit alles vorhanden. Wer es noch luxuriöser haben möchte, kann zum Beispiel in Irland mit dem Mietboot am Shannon 400 Kilometer den Fischen nachjagen. Einen Bootsführerschein braucht man nicht, besagt die Werbung. Auf der Grünen Insel ist alles viel unkomplizierter. Wie praktisch! Wer nicht so weit reisen möchte, muss auf das Anglerglück jenseits der Grenze nicht verzichten. Im Grenzgebiet zu Ungarn liegt die Donau-Insel Szigetköz. Ein Naturparadies, dass so manchen Nationalpark in den Schatten stellt. Nur kümmert sich auf der Insel kein „Ranger“ darum, ob die 260 Vogelarten von Anglern gestört werden.

Anglerwettbewerb für Kopfgeldjäger

Wer nicht weit wegfahren und dennoch an einem Angler-Event teilnehmen möchte, ist mit einem organisierten Anglerwettbewerb gut beraten. Nahezu wöchentlich findet überall in der Angelsaison an jedem Teich so ein Event statt. Der Sieger wird mit einer einzigartigen Beute belohnt und kann sich Ruhm und Ehre in Form einer Urkunde zu Hause an die Wand nageln. Heutzutage nimmt allerdings das Zurschaustellen der Beute auf Instagram oder Facebook zu. Da zählt man dann Follower statt Urkunden. Es gibt sogar schon Angel-Influencer – sogar Anglerinnen. Einzige Voraussetzungen: Kampfgeist und Nenngeld. Wer die meisten Fische fängt ist der Champion. Die Location wird unter Experten auch Forellenpuff genannt, weil der Handlungsablauf mit dem im horizontalen Gewerbe sehr ähnlich ist. Man geht hin, zahlt, weiß was zu tun ist und geht (hoffentlich) befriedigt wieder nach Hause. Kleiner Unterschied: Die Damen im Puff müssen regelmäßig zum Arzt. Es gibt aber auch internationale Anglerwettbewerbe, wo sich die entschlossene Meute kollektiv auf die Beute stürzt. Am Plattensee zum Beispiel, haben 2019 250 Teams aus 22 Ländern am Event teilgenommen. 1000 Angler hatten die Aufgabe, in 140 Stunden alles zu geben. Wer am Ende die meisten Fische über 5 Kilogramm gefangen hat ist Sieger und darf sich über ein Preisgeld von 30.000 Euro freuen. Der Angler, der den größten Fisch der Veranstaltung an Land zog, bekam 10.000 Euro. Falls die Fischriesen bei so einem Event den verzweifelten Kampf und das anschließende Fotoshooting überleben, werden sie wieder „eingebracht“ und kommen vielleicht beim nächsten „Kopfgeldjäger“ wieder auf den Haken. Bei einem einzigen derartigen „Fest“ werden insgesamt rund 50 Tonnen Fisch gefangen.  Andernorts gibt es auch „kleinere“ Fischercups mit regionalen Anglern. Als krönenden Abschluss gibt es da nach dem „Derbie“ ein Fischfest, wo insbesondere auch Urlauber zu überhöhten Preisen die verschiedenen Fischspezialitäten verkosten dürfen. Dass auch für so relativ kleinere Veranstaltungen viel Fisch gebraucht wird, zeigt die Besucherzahl. Mehrere 1000 Personen kommen da schnell zusammen und die wollen ordentlich verköstigt werden. Um den Bedarf zu sichern, müssen die Angler also ordentlich vorsorgen. Zum Schmökern in Grzimeks Tierleben wird ihnen da wohl keine Zeit bleiben. Klar, dass bei solchen „Festessen“ auch der Fischwein nicht fehlen darf, damit die Tschecheranten auch auf ihre Rechnung kommen. Angler haben übrigens auch Humor, denn der Kescherträger beim Befischen heißt offiziell Kescherant.

Das Jahr 2020 war ein schwarzes Jahr für die Süßwasserfische sagt die Weltnaturschutzunion IUCN. 80 Arten wurden als ausgestorben eingestuft und für 115 weitere Arten wird es langsam kritisch. Gerade wenn wir die unübersehbaren Probleme bei der Population der Süßwasserfische sehen und ernst nehmen, sollten wir uns bei der Bekämpfung der Ursachen nicht darauf beschränken, dort Schuldige zu suchen, wo der geringste Widerstand zu erwarten ist. „Nirgendwo ist die Naturkrise der Welt akuter als in unseren Flüssen, Seen und Feuchtgebieten, und der deutlichste Indikator für die Schäden, die wir anrichten, ist der rapide Rückgang der Süßwasserfischpopulationen“, klagt die IUCN an. Im Zweifel soll man sich zugunsten dessen entscheiden, der am meisten zu verlieren hat, rät Ethologe Jonathan Balcombe. Also zugunsten der Fische, die möglichweise doch Gefühle, Angst und ein Schmerzempfinden haben könnten.

Beitrag 3 dieser Serie beschäftigt sich demnächst mit der Wasserkraft.

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