Ein Schiff wird kommen und meinen Traum erfüllen

Text: Peter Baumgartner

Man kann, wie im Schweizer Ermatingen, eine Anlegestelle – liebevoll STEDI benannt – bauen, die alle Nutzerinteressen vereint… (WebCam Ermatingen).

Zum Unterschied vom Mädchen aus Piräus im alten Schlager von Lale Andersen, ist die Erwartungshaltung kommunaler Vertreterinnen sehr unterschiedlich. Manche wissen gar nicht, was ihre Wünsche und die ihrer Wähler sind. Manche haben gar keine Wünsche. Lale Andersen hatte in ihrem berühmten Lied ganz klare Vorstellungen vom Sinn und Zweck ihrer Warterei im Hafen. Deshalb wurde ihre Sehnsucht schließlich gestillt. Ein Hafen ist ein Sehnsuchtsort und Ziele setzen lohnt sich, lernen wir daraus.

…man kann die Anlegestelle wie hier in Pinsk/Belarus architektonisch an den Ort anpassen…

Historisch gesehen, haben Anlegestellen für die Binnenschifffahrt mancherorts eine sehr lange Tradition und waren immer fester Bestandteil einer Gemeinschaft. Architektonisch und raumordnerisch an das Ortsbild angepasst, dienten sie nicht nur den Schiffen als Umschlagsplatz für den Waren- und Personenverkehr, sondern waren oft auch wirtschaftliches und gesellschaftliches Zentrum eines Ortes mit Lagerhäusern und Marktgeschehen. In Basel besteht zum Beispiel die amtliche Ortsbezeichnung Schifflände schon seit 1861. Seit 1868 gibt es in Wien die Brigittenauer Lände am Donaukanal, weil dort immer die Schiffe anlegten. Noch älter ist die Straßenbezeichnung Erdberger Lände. Aber das ist alles lange her. Heute stehen alle Kräne stehen still, wenn die Dummheit es so will. Heute würde auch niemand mehr auf die Idee kommen, eine Ortsbezeichnung mit der Binnenschifffahrt in Verbindung bringen wollen. Immerhin gibt es beispielsweise in Linz noch eine Ignaz-Mayer-Straße in Erinnerung an den großen Gründer der Schiffswerft, oder in Korneuburg die schöne Adresse Am Hafen. Solche Beispiele sind rar. Wer aber erinnert sich noch daran, dass beispielsweise Ernst Schneider vor genau 80 Jahren den weltberühmten und noch heute konkurrenzfähigen Voith-Schneider Schiffsantrieb patentieren ließ?

…man kann aber auch die Aussicht auf die Anlegestelle, die Schiffe und das Wasser auch durch Werbetafeln verstellen…

Die Binnenschifffahrt und ihre Köpfe kommen heute meist dann zu öffentlicher „Aufmerksamkeit“, wenn es etwas zu kritisieren gibt oder gar schlimme Unfälle passieren. Auch das Thema Schiffstourismus eignet sich hervorragend für negative Schlagzeilen und nicht selten sorgt die Binnenschifffahrt selber für „Verhaltensauffälligkeiten“. In Linz zum Beispiel, wird seit geraumer Zeit das Thema der Schiffsanlegestellen kontrovers diskutiert. Ein gefundenes Fressen für Medienvertreter, die auf der Jagd nach Schlagzeilen gerade aktuell gegen übermächtige Themen ankämpfen müssen. Da kommt ein „Anrainer-Aufstand“ oder die „Invasion der Busse auf der Lände“ schon sehr gelegen. Flugs ist die Sachlichkeit dahin und Schwarz/Weiß dominiert.

…und man kann auch hoffen, dass ein Schiff gar keine Anlegestelle braucht… (Quelle: American Cruise Lines)

Dabei würde das Thema der Schiffsanlegestellen und die Vergabe der Liegerechte gerade jetzt durchaus ein spannendes Diskussionsthema abgeben und so manchen, längst fälligen Verbesserungsbedarf deutlich werden lassen. Vielleicht würden sogar eigenartige Praktiken in Verbindung mit den Anlegerechten für Diskussionsbedarf sorgen. Stichwort Anlegerechte für ausländische Investoren, deren Firmenzweck die Grundstückserschließung ist und schon mal wirtschaftliche Verflechtungen auf höchster politischer Ebene angestrebt werden. Nach der Landnahme folgt die „Wassernahme“. Ein junger Gemeinderat in Linz, Clemens Brandstetter (Wandel – Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt), will einen „Kurswechsel auf der MS LINZ“. Vor dem Hintergrund seiner negativen Eindrücke zu den örtlichen Anlegestellen, hat er einige spannende Fragen im Gemeinderat gestellt und sogar Antworten erhalten. Antworten, die jedoch von wenig Diskussionsfreudigkeit oder gar Lösungskompetenz zeugen. Dazu muss man wissen, dass eigentlich gerade in Linz, was die Binnenschifffahrt betrifft, eine geballte Lösungskompetenz am Ruder ist, die besser als anderswo geeignet sein könnte, Lösungen für jedes Problem zu finden. Die Werbegemeinschaft Donau ist seit über 30 Jahren erfahrener Betreiber der meisten Anlegestellen in Linz (und in Oberösterreich), die man seinerzeit als „Schnäppchen“ (8,8 Mio. Schilling) aus dem DDSG-Nachlass ergattern konnte. Damals war man zuversichtlich, endlich von einer rosigen Zukunft im Donautourismus träumen zu können („Jahrelang haben Donau-Gemeinden über den vergammelten Zustand der DDSG-Anlegestellen geklagt“/Kurier-2001). Über eine zeitgemäße Energieversorgung und andere Adaptierungen der nassen Infrastruktur wird jedoch noch immer „nachgedacht“. Die WGD-Geschäftsführerin Petra Riffert ist nicht nur im Aufsichtsrat der OÖ-Verkehrsholding, sondern auch im Aufsichtsrat des Staatsbetriebes viadonau/DHK vertreten, die wiederum ohne dem Österreichischen Vergaberecht zu unterliegen, unabhängig über sämtliche Liegerechte entlang der österreichischen Donau entscheidet. Eine „gmahte Wiesn“ für Oberösterreich und Linz, könnte man meinen. Dennoch gibt es viele unzufriedene Stimmen in der Donau-Stadt.

…man kann den Kabinengästen die Aussicht durch die Anlegestelle versperren…

Vor allem die „lauten“ und „stinkenden“ Kreuzfahrtschiffe und der damit verbundene Busverkehr, bringt angeblich viele Linzer auf die Palme. Bei der Kritik wird allerdings gerne darauf vergessen, dass auch die für Linz wichtige Ausflugschifffahrt in Verbindung mit dem Radtourismus eine hohe Infrastrukturqualität und Bustourismus braucht. Die Bedürfnisse der Besatzungen von Frachtschiffen werden sowieso konsequent ignoriert. Nun ist der zentrumsnahe Raum der Donau zweifellos eine der schönsten Visitenkarten von Linz. Nicht umsonst sind 5 von 10 Markendestinationen im Tourismusangebot eng mit der Donau verbunden. Also sollte man die Perle – inklusive Anlegestellen, schon optimal nützen und nicht verräumen. Warum man bis jetzt noch kein Gesamtkonzept geschafft hat, dass wenigstens ein hohes Maß an allgemeiner Akzeptanz zeitigt, ist schwer verständlich. Beispiele zukunftsweisender Projekte gibt es jede Menge. In Gmunden hat zum Beispiel der Bürgermeister gerade eine 100.000 Euro-Anlegestelle für „meine Jugend“, für Wassersportler und für die Schifffahrt errichtet. Zweifellos sind in Linz sind die räumlichen Gegebenheiten und die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten für schwimmenden Anlegestellen (inklusive landseitiger Einrichtungen), vorhanden. Man muss das Rad nicht neu erfinden. Mit dem „Linzer Auge“ (Linz09) hat Linz seinerzeit sogar Pionierarbeit geleistet und gezeigt, was am Wasser machbar ist. Dass dieses Vorzeigeprojekt sprichwörtlich den Bach hinunter gegangen ist, hat nichts mit der grundsätzlich guten Idee zu tun, sondern nur in Erinnerung gerufen, dass sich auch Ingenieure gelegentlich irren können. Die Verschrottung des innovativen Objektes war jedenfalls ein (teurer) Fehler, für den es bis heute keinen Verantwortlichen gibt.

…oder man kann den Schiffsgästen eine „schöne“ Aussicht im Hafen anbieten…

Eine andere Kritik bezieht sich in Linz auf die angebliche Gefährdung der Wassersportler durch die Binnenschifffahrt bzw. durch deren Infrastruktur. Keine Frage, das ist eine ernstzunehmende Kritik, die zunächst einer rechtlichen Abklärung bedarf. Grundsätzlich ist die Donau eine Wasserstraße und im juristischen Sinn vergleichbar mit einer Autobahn – nur dürfen auf der Autobahn keine Fahrräder fahren. Ruderboote auf der Wasserstraße aber schon. Soll heißen, dass die Wasserstraße zwischen Kabinenschiff und Schlauchboot inklusive Schwimmer (=Fußgänger) viele Nutzer kennt. Deshalb gibt es auch klare Gesetze, Regeln und Normen, die von allen Nutzern beachtet und bei der Errichtung von Infrastruktur berücksichtigt werden muss. Die Zielsetzung ist natürlich, dass alle berechtigten Nutzerinteressen nebeneinander weitgehend gefahrlos existieren können. Ist das nicht der Fall, muss man das Gesetz, die Regeln ändern, oder gar zusätzliche Regeln schaffen. In Linz gibt es unter Berücksichtigung der Kritik offensichtlich keine oder nur schlechte Regeln für Wassersportler. Anscheinend gibt es im gesamten weitläufigen Stadtgebiet auch gar keine ausgewiesene Trainingsstrecke, die von Wassersportlern gefahrlos befahren werden kann. Andernorts zählt das zum Standardangebot der Kommunen für ihre Vereine. Setzt man voraus, dass die Ausbildung der Wassersportler den Qualitätsanforderungen einer Wasserstraße entspricht, und setzt man voraus, dass die Einhaltung der Regeln und Gesetze kontrolliert wird, dann sollte die gemeinsame Nutzung der Wasserstraße kein Problem sein.

…man kann den Schiffsgästen an der Anlegestelle auch ein paar Hürden einbauen…

Sehr interessant war im Linzer Gemeinderat auch eine Kritik, die sich grundsätzlich mit der Frage beschäftigte, ob sich die Flusskreuzfahrt für Linz überhaupt lohnt, ob sie wirtschaftlich der Stadt etwas bringt, oder ob die durchreisenden Gäste die Stadt nur als Müllplatz nutzen. Eine Frage, die auch in vielen anderen Gemeinden kontrovers diskutiert wird. Sogar Studien wurden darüber schon verfasst. Dies vor dem Hintergrund, dass angeblich viele Kreuzfahrtgäste in Linz nur anlegen und dann mit dem Bus Ziele außerhalb von Linz ansteuern. Für diese Kritik könnte man grundsätzlich Verständnis aufbringen, wenn man örtlichen Politiker zugesteht, dass sie vordringlich im eigenen Kästchen denken. Allerdings ist Österreich ein (kleiner) gemeinsamer Wirtschaftsraum und jede Gemeinde über Ausgleichszahlungen/Förderungen mit dem gemeinsamen Topf verbunden. Insofern könnte ein Blick über den Tellerrand nicht schaden und außerdem ist das Hauptkriterium für die Gästeentscheidung noch immer das Angebot. Örtliche Touristiker haben es also in der Hand, die Entscheidung der Gäste in die „richtige“ Richtung zu leiten. Kreuzfahrtveranstalter halten sich nicht umsonst einen eigenen Destination-Scout, der die örtlichen Zuckerseiten kennt und weiß, was die Gäste suchen. Linz hat viele hervorragende Angebote für alle Gästeschichten. Wenn Schiffsgäste dennoch ein anderes Ziel ansteuern, dann ist deren Angebot vielleicht noch besser. Jedenfalls ist es keine Schande und gesamtwirtschaftlich betrachtet keine Null-Nummer.

…man kann die Anlegestelle auch als Klettersteig für sportliche Schiffsgäste adaptieren…

Ausblick: Die Nähe zum Fluss, die magische Anziehungskraft zum Element Wasser und der enge Kontakt mit der Natur, ist ein unschätzbarer Standortvorteil und ein sicherer Tipp für „Anleger“. Gemeint sind in diesem Zusammenhang nicht nur Schiffe. Obwohl, die schwimmenden Hotels, sprich Flusskreuzfahrtschiffe, sind zum Beispiel für Basel eine Goldgrube – ohne dass man viel dafür tun müsste, sagt André Auderset von der öffentlichen Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft. Auderset meint, die Flusskreuzfahrtbranche bildet mittlerweile einen beachtlichen Wirtschaftsfaktor. Sie bietet tausende von Arbeitsplätzen an und bezahlt rund 70 Millionen Franken an Steuern und über 30 Millionen Franken Sozialabgaben. Der gute Mann denkt also weit über seinen Entscheidungsbereich hinaus. Nun ist Basel als wirtschaftliches Zentrum und touristische Hochburg nicht einfach vergleichbar mit jeder anderen Wasser-Stadt, aber das Beispiel zeigt, dass Erwartungen in Erfüllung gehen, wenn ein (gemeinsamer) Wille vorhanden ist.

…die wartenden Passagiere einfach im Regen, oder in der Sonne stehen lassen, ist die „letzte“ Möglichkeit für eine touristische Infrastruktur.

Schiffsanlegestellen sind Ankerpunkte zum Flanieren und Promenieren. Sie sind Orte zum Innehalten um die Umgebung zu genießen und zu erforschen. Sie sind wasserseitig der erste und der letzte Eindruck eines Ortes und damit die Visitenkarte für das Gedächtnis. An der Anlegestelle erkennt man, ob man willkommen ist und nur hier kann man noch richtig Flagge zeigen, bevor man sich mit einem freundlichen „Auf Wiedersehen“ verabschiedet. Die Diskussion um Liegestellen und Anlegerechte als land- und wasserseitige Infrastruktur, braucht als Grundlage die Kenntnis ihrer Bedeutung und ihrer vielfältigen Möglichkeiten.

Bilder: IBBS

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