Eine Vision
Beitragsbild Quelle: Donaukommission
Eine Vision nannte Dimitrios Theologitis 2013 die qualitätvolle Binnenschifffahrt auf der Donau und brachte damit zum Ausdruck, dass die Binnenschifffahrt wie andere Transportbereiche auch, eine europäische Herausforderung ist, die noch auf Erledigung wartet.
Der Anfang dieser Vision liegt allerdings schon weit, sehr weit zurück und man möchte meinen, eigentlich sollte die Herstellung einer qualitätvollen Binnenschifffahrt in ganz Europa längst erledigt sein – zumal die schwierigsten Aufgaben schon von den Vorfahren abgearbeitet wurden. Aber, es gibt noch viel zu tun und wie man sieht reicht es auch nicht aus, nur eine qualitätvolle Binnenschifffahrt anzubieten, man muss sie schon auch nutzen. Sonst bleibt sie im Hafen liegen und endet schließlich als nostalgische Erinnerungen. Schiffe sind zwar im Hafen sicher, aber dafür werden sie nicht gebaut.
Ausgehend vom Wiener Kongress kann man davon sprechen, dass bereits 1815 eine schwierige politische Hürde für die europäische Binnenschifffahrt aus dem Weg geräumt wurde. Nicht mehr und nicht weniger als die freie Schifffahrt ohne Behinderung auf Flüssen war das Ergebnis der Verhandlungen aller teilnehmenden Mächte. Eine besondere Bedeutung dieser umfassenden Einigung kam der Donau zugute, weil sie wie kein anderer Fluss in Europa von internationaler Bedeutung war und ist. Folgt man den nationalen und ideologischen Zuordnungen, nach denen Flüsse wie zum Beispiel der „Deutsche Rhein“, „Mütterchen Wolga“, die „Französische Rhone“ oder „Father of Waters“ (Mississippi) benannt werden, dann ist die Donau unzweifelhaft der „Europäische Fluss“.
1840 unterzeichneten die Großmächte Österreich und Rußland eine Konvention zur freien Schifffahrt auf der gesamten Donau und die Friedenskonferenz von Paris setzte 1856 den ersten praktischen Schritt für die Vision, von der Dimitrios Theologitis 2013 geträumt hat und die noch immer auf Verwirklichung wartet. Nach dem Pariser Frieden wurde erstmals eine Organisation gegründet, die dafür zu sorgen hatte, dass die desolaten Navigationsbedingungen im unteren Donauabschnitt beseitigt und eine ungehinderte Schifffahrt hergestellt wurden. Die Flusskommission mit Vertretern aller teilnehmenden Staaten, wurde folgerichtig „Europäische Donaukommission“ (Commission Européenne du Danube) genannt und hatte ihren Sitz in Sulina, im Donaudelta. Mit einer Unterbrechung zwischen den beiden Weltkriegen konnte sich die CED ihre Eigenständigkeit innerhalb der unterschiedlichen Staaten bewahren und zielstrebig an der Donauregulierung arbeiten. Dass diese Herausforderung trotz andauernden Kampfes gegen Windmühlen gelang und die Donauschifffahrt heute noch davon profitiert, ist wahren Experten zu verdanken, die nicht nur über politisches Feingefühl, sondern auch über großes Fachwissen im Wasserbau verfügten. Allen voran ist der englische Wasserbauer Charles Augustus Hartley zu erwähnen, der vor nunmehr 165 Jahren die Leitung der Europäischen Donaukommission übernahm. Und wenn man Gottfried Tulla den Begradiger des Rhein nennt, dann ist Hartley der Wasserbauer, der die Donau gezähmt und Flussgeschichte geschrieben hat. Auch zwei österreichische Ingenieure mit klangvollen Namen schlossen sich dem Hartley-Team im Donaudelta an. Das war zunächst Gustav Ritter von Wex, der sich schon in Wien bei der Donauregulierung große Verdienste erworben hatte und auch Florian Ritter von Pasetti, ebenfalls ein erfahrener und erprobter Wasserbauexperte, stand Hartley zur Seite.
Erst 1948 wurde die Europäische Donaukommission aufgelöst und mit der Belgrader Akte in eine neue Kommission, die seither den Namen „Donaukommission“ trägt, übergeführt. Der Sitz dieser Donaukommission ist seit 1954 in Budapest und ehemals ausgeschlossene Staaten wie Deutschland oder Österreich sitzen an einem Tisch mit den übrigen Donaustaaten. Sogar die Russische Föderation hat noch immer Sitz und Stimme inne. Für sich gesehen ist die Donaukommission nicht weniger europäisch als ihre Vorgängerin und sie ist von ebenso eminent wichtiger Bedeutung. War die Zeit der Europäischen Donaukommission geprägt von andauernd schwierigen politischen Verhältnissen auf dem Kontinent, so ist die Geschichte der Donaukommission auch nicht gerade als Spaziergang zu bezeichnen. Man erinnert sich an die teils blutige Auflösung des Ostblocks. Allen voran zu erwähnen ist der Jugoslawien-Krieg mit den dramatischen Folgen für Europa. Zahlreiche „Grenzfragen“ standen und stehen bis heute auf der politischen Tagesordnung. Erst 2009 wurde eine Grenzfrage zwischen Rumänien und Ukraine beim Europäischen Gerichtshof geklärt. Ungarn-Slowakei standen sich vor Gericht gegenüber und Grenzfragen zwischen Serbien und Kroatien fließen immer wieder in das Tagesgeschäft ein. Sogar Österreich und die Slowakei hatten schon Klärungsbedarf und es ist keine Frage, dass so manche „alte Grenzlösung“ noch genug Konfliktpotential in sich trägt. Aber auch hier hat die Geschichte gezeigt, dass eine internationale Organisation wie die Donaukommission, ausgestattet mit fachlicher Kompetenz, Überblick und der notwendigen Unabhängigkeit, als gemeinsames Regulativ grenzübergreifende Probleme lösen kann.
Damals wie heute geht es darum, dass trotz aller Gegensäte zwischen unterschiedlichen Staaten, jemand dafür sorgen muss, dass Versorgungswege, in diesem Fall die Wasserstraße Donau, qualitätvoll nutzbar bleiben. Dazugekommen ist – und das macht die Aufgabe nicht leichter, dass künftig Umweltbelange viel stärker berücksichtigt werden müssen. Auch die kontinentale Bedeutung der Herausforderung hat sich nicht geändert. Im Gegenteil. Die Globalisierung des Welthandels und des Reisegeschehens, stellt an jedes einzelne Glied in der Transportkette die gleich hohen Anforderungen. Für die Donaukommission bedeutete das zunächst, dass sie ihren Platz im Verein mit anderen Organisationen, wie der Rheinzentralkommission, der Europäischen Kommission, Save – und Moselkommission finden musste. Und dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Es ist naheliegend, dass schon bald auch wieder türkische und/oder andere Staaten mit am gemeinsamen Verhandlungstisch – diesmal unter der Freiheitsstatue in Budapest – sitzen werden, wenn es gemeinsame Fragen zum Wohle der Donauschifffahrt zu lösen gilt. Der sprachliche Ansatz dafür ist vorhanden. Die Amtssprachen der Donaukommission sind Deutsch, Französisch und Russisch. Auch die seit Belgrad gültige Konvention ist, wie die österreichische Verfassung, von „Eleganz und Schönheit“ geprägt (BP Alexander van der Bellen). Und sie ist wie eine Flusskarte, auf der die wichtigsten Untiefen markiert sind, damit Kapitäne sicher ans Ziel kommen. Aber wie jede Flusskarte, die Nutzen bringen soll, bedarf es notwendiger Aktualisierungen.
Im zeitgeschichtlichen Überblick wird die gegenwärtige Krise, wie immer sie ausgehen mag, nur eine Randerscheinung sein. Der Wille und die Kraft visionärer Menschen hat immer einen Weg durch den politischen Sumpf gefunden. Unter dem ehemaligen österreichischen Botschafter Dr. Strasser galt bei der Donaukommission das Motto „Go West“ und hat schließlich zur Einbindung Deutschlands geführt. Jetzt hat die Donaukommission mit Manfred Seitz wieder einen österreichischen Generaldirektor. Den Österreichern sagt man ja nach, dass sie nicht nur die besten Wiener Schnitzel und guten Wein machen können, sondern dass sie auch begabte Verhandler mit einem besonderen Geschichtsbewusstsein sind. Vielleicht gelingt es der Donaukommission ja gerade jetzt mit einem neuen Motto ein Zeichen zu setzen, um die europäische Dimension der Wasserstraße Donau zu unterstreichen und zu manifestieren.
Hilfreich könnte dabei durchaus sein, dass gerade jetzt eine Ukrainerin die Donaukommission leitet. Den ukrainischen Frauen sagt man ja nach, dass sie (zumindest in der Küche) zaubern können und besonders geduldig und leidensfähig sind. Alles Eigenschaften, die für die Leitung einer europäischen Donaukommission unerlässlich sind. Es ist außerdem zwar nur ein Stereotyp, aber es mag für die Donaukommission und die Donauschifffahrt vielleicht besonders zuversichtlich stimmen: Den ukrainischen Frauen sagt man nach, sie seien die besten der Welt. Wenn also C. A. Hartley als „Vater der Donau“ in die Geschichte eingegangen ist, so hat Frau Nepop durchaus das Potential, als „Mutter der Donau“ Geschichte zu schreiben.