Ferienzeit heißt auch Wassersport – und Hochsaison für Hilfsorganisationen

Es gibt Konstante im Jahresablauf, auf die kann man sich zuverlässig einstellen. Sommer, Wassersport und Seenot sind solche Abläufe in genau dieser Reihenfolge.

REDAKTION: PETER BAUMGARTNER.

Die Medien haben es dabei leicht, sie können Texte für jedes Gewässer schon im Jänner vorbereiten und müssen im Sommer nur noch Datum, Uhrzeit und Ortslage anpassen. Selbst die Schlagzeilen ändern sich nie: Boot gekentert, Segler muss geborgen werden, hohe Wellen-Seenot, Surfer von Unwetter überrascht, fünf Boote aus dem Sturm geborgen usw. Die vorhersehbare Regelmäßigkeit von Seenotfällen hat auch den Vorteil, dass Hilfs- und Einsatzkräfte ihre Personalplanung danach ausrichten können und kaum überrascht werden. Hilfs – und Einsatzkräfte wissen auch, dass sie frühzeitig Warnungen in den Medien schalten müssen, damit möglichst viele Leute erfahren, wo welche Gefahren lauern (haben Medien deshalb auch ein Interesse daran, dass es nicht besser wird?).

Aber wie die flächendeckenden Informationen vor der Ferienzeit und die Katastrophenmeldungen in der Saison sind – es hilft nichts. Kaum hat jemand 300 PS unter dem Hintern, ist die Logik oft dahin. Dazu kommt noch, die gesunde Risikoscheu wird den Menschen durch den uneingeschränkten Zugang für fast eh alles genommen und dadurch das Gefahrenpotential entsprechend gesteigert. Ähnlich wie im Straßenverkehr, wo man nach der Einführung von E-Fahrrädern draufgekommen ist, die sind für manche Leute ja viel zu schnell, so ist es im Wassersport nicht anders. Wenn jemand zum Beispiel einfach ins Sportgeschäft gehen kann, sich dort ein Raft kauft und ohne Ausbildung wie der Teufel den gefährlichen Fluss runterfährt, darf man sich über Unfälle nicht wundern.

Aber selbst bei Wassersportlern, die einen Fachkurs und sogar eine Prüfung machen müssen, fragt man sich oft nach einem Unfall, der sich entgegen aller Regeln dennoch ereignet hat, was und vor allem wo haben diese Leute die Berechtigung zum Wassersport erlangt? Was haben die in den praktischen und theoretischen Kursen gelernt? Auffällig in diesem Zusammenhang ist zum Beispiel, dass nach keinem Unfall die Qualifikation genauer hinterfragt wird. Das würde wahrscheinlich der Freizeitindustrie massiv schaden.

Es reicht der Exekutive und dem Richter völlig aus, wenn eine gültige Berechtigung vorgelegt werden kann. Wenn aber eine Berechtigung über ein Punktesystem erworben wird, ohne auf die inhaltliche Qualität der Prüfung Rücksicht zu nehmen, kann es schon vorkommen, dass absolut relevantes Wissen über das richtige Verhalten im Wassersport einfach nicht vorhanden ist. Sehr einfach macht es sich der Gesetzgeber. Wie so oft, gibt es für alles ein Gesetz – aber die Kontrolle und die wirksame Ahndung von Vergehen fehlt. Insgesamt und unter dem Strich ist es dann so, wie es eben ist: Unfälle im Wassersport werden billigend in Kauf genommen. Nicht weil es Murphys Gesetz so vorhersagt, sondern weil das Restrisiko geringer erscheint, als die (finanziellen) Vorteile der Freizeitindustrie.

The Show must go on! Yeah!
Es wäre aber einseitig und der Sache nicht dienlich, würde man alle Schuld den Wassersportlern zuschreiben. Insbesondere was Unfälle oder Notfälle im Sturm betrifft, haben die jeweils zuständigen Behörden oft auch ein gerütteltes Maß an Bringschuld zu tragen. Leider ist es so, dass es keine einheitlichen und verbindlichen Regeln gibt, wie Sturmwarnungen abzulaufen haben. Kein Land kann für seine Seen einheitliche Sicherheitsvorschriften anbieten. Ja selbst an einzelne Seen gelten oft unterschiedliche Regeln. Ortsfremden Wassersportlern – ganz abgesehen von der Sprachproblematik – wird die Information dadurch nicht gerade erleichtert. Einheitlich für alle Wassersportler und Schifffahrtstreibenden gilt, dass sie sich über das Vorhandensein von Sturmwarneinrichtungen und die Art der Signalgebung zu informieren haben.

Diese Holschuld läuft aber ins Leere, wenn es gar keine Warneinrichtungen und keine Signalgebung gibt. Folglich läuft auch die zweite, für alle verbindliche Vorschrift ins Leere, wonach bei einem angezeigten, aufkommenden Sturm unverzüglich ein Hafen oder ein geeignetes Ufer aufzusuchen ist. Unabhängig davon, ob Sturmwarneinrichtungen vorhanden sind oder nicht, sind auch die behördlichen Abläufe immer völlig unterschiedlich. Mal ist die Polizei zuständig, mal die Wasserrettung oder gar beide Institutionen, die sich dann untereinander im Notfall erst über Regionalgrenzen hinweg absprechen müssen.

Der Zeitfaktor ist bei einem drohenden Sturm allerdings eine entscheidende Komponente. Leider hat ein Sturm oft die unangenehme Eigenschaft, urplötzlich und regional unterschiedlich stark aufzutreten. Manche Gewässer sind bekannt dafür, dass sie markante Sturmereignisse haben, denen man liebevoll sogar einen Namen gegeben hat (Viechtauer).

Mit dem Klimawandel einher geht aber auch das Phänomen, dass namenlose Stürme völlig unvorhersehbar an Orten auftreten, wo man sie gar nicht erwartet. Da nützt dann auch eine Wetter-App wenig. Wenn in solchen Situationen eine Rettungsleitstelle erst die Bootsbesatzung, die gar nicht vor Ort ist, über eine Gefahr informieren muss, dann ist das Ereignis womöglich schon wieder vorbei, bis die Rettungskräfte ausrücken können.

Im digitalen Zeitalter ist es auch mehr als eigenartig, wenn selbst an stark frequentierten Gewässern, allenfalls vorhandene Signallampen erst per Hand eingeschalten werden müssen. Nun ist es sicherlich so, dass gut geschultes Einsatzpersonal wie bei der Österreichischen Wasserrettung bemüht ist, allen Herausforderungen auf den Gewässern gerecht zu werden. Aber erleichtert wird ihnen die Arbeit durch prähistorische Vorgaben nicht gerade.

Dabei ist es ja nicht so, dass man ein funktionierendes Warnsystem auf den Gewässern erst erfinden müsste. Nein, es gibt durchaus Örtlichkeiten, wie am Klopeiner See in Kärnten, die beispielgebend sein könnten. Wo es ein lückenloses Warnsystem gibt und wo insbesondere auch die Information darüber bei den Nutzern der Gewässer verlässlich ankommt. Das beste Warn- oder Alarmsystem nützt nämlich nicht viel, wenn es „geheim“ gehalten wird. (PB)

Quelle: Binnenschiff Journal 4/2020

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