Ist die Slowakei eine europäische Offshore-Zone?

Die serbische Gewerkschaft Granski sindikat lađara i pomoraca Srbije (SLP), die in ihrem Land für die Binnenschifffahrt zuständig ist, ortet seit Jahren einen Verfall der Arbeitsbedingungen in der Binnenschifffahrt.

In der öffentlich geäußerten Kritik ist von Scheinfirmen auf der Donau die Rede, die Mitarbeiter ohne Arbeitsverträge anheuern, ihnen große Versprechungen machen und nichts einhalten. Am Ende stehen Arbeitnehmer oft ohne Arbeit und ohne den versprochenen Lohn auf der Straße. Einer der Hauptkritikpunkte lautet, dass man in der EU schrottreife Binnenschiffe billig kaufen kann. Diese werden dann von serbischen „Reedern“ in der Slowakei noch billiger registriert, weil dort EU-Verordnungen „situationselastisch“ behandelt werden. Dadurch entstehen Scheinfirmen, deren Schiffe in der EU eigentlich keine Zulassung mehr bekommen und die sich so jeder Kontrolle entziehen können. Sogar ein Flaggenwechsel während der Fahrt und nach Bedarf wird von der Gewerkschaft angeprangert. Schuld an diesen „banana poslovanja“ (Bananengeschäften), wie sie von SPL bezeichnet werden, sind Behörden, die nicht kontrollieren und Verantwortlichkeiten hin und her schieben. Für die Gewerkschaft sind die anscheinend unlösbaren Probleme nicht nur für den Staat und die unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer ein Desaster. Es wird auch zunehmend ein Problem für die Sicherheit und den Nachwuchs in der Binnenschifffahrt. Niemand möchte gerne unter derart prekären Arbeitsverhältnissen leben und viele entscheiden sich daher gegen einen Beruf auf dem Binnenschiff. Eine gefährliche Entwicklung am ohnehin angespannten Arbeitsmarkt in der Binnenschifffahrt, die sich gepaart mit dem oft willkürlichen Behördenverhalten gegenüber Binnenschiffern fatal auf die Sicherheit und Gesundheit in der Branche auswirken kann.

Es ist nicht gesagt, dass jedes westeuropäische Binnenschiff, dass nach Serbien oder in ein anderes osteuropäisches Land überstellt wird, fahruntauglich ist. Tatsache ist jedoch, dass es sich ausnahmslos um alte oder sehr alte Schiffe handelt. Besonders bei alten Tankschiffen ist es so, dass sie im Westen von Verladern nicht mehr akzeptiert werden. Dann bleibt als Ausweg nur noch der Schrotthändler, oder eben eine Zulassungsbehörde mit liberalen Zulassungsbestimmungen. So kann es sein, dass ein 1927 am Neckar gebautes Schiff an der Save das Ausgedinge findet (Bild oben). Ein anderes Schiff, das 1956 in der Hitzler Werft/Lauenburg vom Stapel lief, hat in Belgrad einen neuen Heimathafen gefunden (Bild unten).

Die von der serbischen Gewerkschaft festgestellten Mängel im System sind in Westeuropa keine besondere Neuigkeit. Tatsächlich prangert zum Beispiel die Schweizer Gewerkschaft Nautilus, oder AQUAPOL seit vielen Jahren unanständige Arbeitsbedingungen in der Binnenschifffahrt an – mit mäßigem Erfolg. Die „Aquapol-Kontrollwochen“, wiederkehrende Kontrollen an Bord, haben erst vor wenigen Wochen wieder gezeigt, wie hilflos die Behörden dem unseligen Treiben einer Branche gegenüber steht, deren Expertise darin besteht, dass sie die schlampigen EU-Regeln nach Schlupflöchern durchsucht. Bei der letzten Kontrolle wurde beispielsweise eine ungarische Mitarbeiterin an Bord eines Schiffes unter Schweizer Flagge wegen Vergehen verhaftet, die sie wohl kaum aus Eigeninitiative begangen hat. Abhängigen Mitarbeitern die Schuld in die Schuhe zu schieben, scheint eine beliebte Methode der Behörden zu sein, um von eigenem Unvermögen abzulenken und mediale Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Schuld wird dann vom Auftraggeber „rückerstattet“ und alle sind zufrieden.

Die serbische Gewerkschaft hat sich jetzt mit der ETF/ITF, den beiden großen internationalen Arbeitnehmerverbänden in der Transportbranche, vereinigt und hofft, so mehr Gewicht für ihr Anliegen zu bekommen.

Bilder: IBBS

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