Schwer(gut) unterwegs?

Ursprünglich dachte man in der Binnenschifffahrt, dass mit der Liberalisierung der Bahn die Zeiten, als Eisenbahnbrücken noch so niedrig über den Donaufluss gespannt wurden, dass ja kein größeres Schiff ohne Behinderung darunter durchfahren konnte, endgültig Geschichte seien. Gekommen ist es anders.

Redaktion: Peter Baumgartner.

Konkurrenz belebt das Geschäft. Nun kann alles nur noch besser werden – war die zuversichtliche Hoffnung. Spätestens seit 1998 wissen sogar österreichische Verkehrspolitikerinnen, dass sich die Wasserstraße „besonders gut“ (PLANCO-Studie) für den Schwerverkehr eignet. Damals vertrat zum Beispiel Bundesrat Schaufler die Meinung, dass es unbedingt notwendig sei, den Schwerverkehr auf die Donau zu bringen, um so die vorhandenen Transportmöglichkeiten im Interesse der Umwelt besser zu nutzen. Seinem damaligen SPÖ-Verkehrsminister Caspar Einem kam aber argumentativ gelegen, dass er sich auf den schlechten Ausbauzustand der Donau in Bayern ausreden konnte, um so selber kein Geld für die Wasserstraße in die Hand nehmen zu müssen. Jedenfalls ging den Politikerinnen der Begriff High & Heavy im Zusammenhang mit der Binnenschifffahrt bereits frühzeitig glatt über die Lippen. Auch viadonau, die österreichische Wasserstraßengesellschaft, die heute noch immer „behutsam und nachhaltig“ an der Entwicklung des Lebens- und Wirtschaftsraumes Donau arbeitet, veranstaltet seit 2010 regelmäßig Workshops zum Thema High & Heavy, um die Interessenten für die Wasserstraße zu sensibilisieren. Sogar eine Letter of Intent zwischen Hafen Rotterdam und Österreich wurde unterzeichnet, um den Schwerguttransport mit dem Binnenschiff zu fördern.

Das Potential wurde 2011 als erheblich geortet. Allein auf dem Donau-Korridor hatte man 3000 Sonder- und Schwertransporte identifiziert, deren Abwicklung auf „Schiene und Straße mit erheblichem Aufwand verbunden ist“ und daher auf das Schiff gehören. Ein „Clusterland Award“ sollte die Machbarkeit der Verlagerung von schweren Ladungen fördern. Landesrätin Petra Bohuslav: „Wir suchen die innovativsten Projektideen, die erfolgreichsten Kooperationsprojekte, die besten Netzwerker des Landes – denn Innovation entsteht durch Kooperation!“ Im Ergebnis gibt es bis heute, mehr als 10 Jahre später, außer ein paar vereinzelt agierende Pioniere, Innovatoren, Projekten und Absichtserklärungen, mehr Tiefs als High & Heavy auf der Donau. Zu den innovativen Pionieren im Schwergutgeschäft auf der Donau zählt der „blaue Riese“

Felbermayr, Prangl, die alte DDSG, Logwin und ein paar andere Exoten. Zu den „Projektmanagern“ und „Absichtserklärern“ zählen die Verkehrspolitikerinnen und deren verlängerter Arm (viadonau), die ausreichend mit „wechselseitigem Lernen“ beschäftigt sind. Gemeinsam gehen sie so „behutsam“ vor, dass man anstatt Schiffswellen, nur das Rauschen im Projektblätterwald hört.

2012 wurde das Grundverständnis entwickelt, dass High & Heavy als spezieller Transportfall, gemeinsame Lösungen braucht. So kam es auch. 2014 hat der Logistik Manager des Jahres 2012, Max Schachinger, angeregt, man möge einen „Counselor für nachhaltige Logistik“ suchen, der sich professionell mit dem Thema beschäftigt. Und siehe da, nach intensiver Suche wurde der „CNL“ unter dem Logo der schlauen Eule tatsächlich gefunden. „Schon“ 2015 ließ Verkehrsminister Stöger weißen Rauch aufsteigen. Sie wissen schon, Stöger war der Minister für alle Fragen, der als Gesundheitsminister beste Voraussetzungen für den Verkehrsminister-Job mitbrachte, weil er die „Lebensadern“ der Nation schon gut kannte (später wurde er auch noch Arbeitsminister).

Stöger zauberte jedenfalls den Counselor und gleich auch eine Arbeitsgruppe von Interessensvertretern aus dem Hut. Jetzt geht’s aber wirklich um die Umsetzung hat der Minister gemeint, denn insbesondere bei der Transportverlagerung gibt es noch „viel Luft nach oben“. Man erinnere sich, Stöger wollte 40 % Bahnanteil und die Binnenschifffahrt sollte auch um 20 Prozent wachsen. Der Counselor selber sah sich als „Kümmerer“ und selbstverständlich als Experte. Immerhin war er zum Zeitpunkt der Ernennung schon 20 Jahre im Ministerium beschäftigt. Doch es kam anders. Es änderte sich nichts. Daran ist der Counselor allerdings nicht alleine schuld, denn ein Counselor arbeitet in der Regel mit Menschen zusammen, die ihre Probleme nicht allein lösen können.

Seit nunmehr 30 Jahren verbindet der Main-Donau-Kanal die Nordsee mit dem Schwarzen Meer und die gewaltigen Absatzmärkte darüber hinaus. Dennoch gibt es noch immer keine Betriebsansiedlungspolitik, die die Vorteile der Wasserstraße voll ausschöpfen könnte. Im Gegenteil. Man ist peinlich bemüht, selbst die größten Logistikimmobilien und Produktionseinheiten ja nicht in Flussnähe zu bauen. Nicht nur in Österreich, sondern mit wenigen Ausnahmen nahezu in ganz Europa, gibt es eine pandemische Wasserstraßenphobie, die sich nicht und nicht ausrotten lässt. Deshalb ist die Binnenschifffahrt da wo sie ist – vernachlässigbar, wie es Prof. Sebastian Kummer in seiner aktuellen Studie zum Verlagerungspotential beschreibt. Seit 1980 hat die Straße beim Modal Split um 13,1 % zugelegt, die Schiene um 10,7 % verloren und das Binnenschiff ist statistisch gerade noch darstellbar.

Nun gibt es einen neuen Vorstoß der sicherstellen soll, dass die wissenschaftlichen Prognosen „keinen Kummer“ mehr machen können. Seit 1. Jänner müssen gewisse Schwertransporte durch eine Änderung des SOTRA-Erlasses zwingend auf das Binnenschiff verlagert werden. Zunächst handelt es sich allerdings um eine Pilotphase bis Ende 2022. Man will ja keine unüberlegten Entscheidungen treffen. Es geht auch nicht mehr um die ursprünglich georteten 3000 Sondertransporte, sondern nur noch um 60 „schwere Fälle“. Die sollten aber jetzt wirklich auf die Donau. Das muss jeder verstehen.

Die Wirtschaftskammer gibt hingegen bereits Entwarnung. Sie konnte „flexible Vereinbarungen“ durchsetzen, berichtet sie stolz. Von zwingender Verlagerung ist da keine Rede mehr. Es werden zwar „vermehrt“ Schwertransporte auf der Donau stattfinden, aber faktisch ist 1 Transport mehr, auch schon „vermehrend“ für die Gesamtstatistik. Die allermeisten Schwertransporte dürften ohnehin erst gar nicht in die Verlegenheit einer näheren Prüfung kommen, weil sie praktischerweise die vereinbarte 160 Tonnen Gewicht Grenze gar nicht erreichen. Die Zielsetzung der Vereinbarung war wohl, niemand soll die Hürde unterlaufen, weil eh jeder drüber kommt. Für die Verkehrsministerin ist das jedenfalls „ein Schritt für den klimafreundlichen Schwerverkehr“, das muss reichen.

Gut, man könnte jetzt sagen, nach 25 Jahren Projektierung, Erforschung und endlosen Diskussionen, ist jetzt ein Etappenziel erreicht. Das ist zwar nicht Nichts und für die Binnenschifffahrt vielleicht das Ende vom „race to the bottom“ kurz vor dem Ziel. Behält Prof. Kummer Recht, treffen wir uns in ein paar Jahren jedoch trotzdem beim schlechtestmöglichen Ergebnis wieder. Diese Befürchtung wird genährt durch die Erfahrung der deutschen Nachbarn, wo eigentlich auch schon längst ein erheblicher Anteil vom Schwerverkehr auf der Wasserstraße sein sollte, es aber nicht ist, weil: „Der Eindruck ist, dass die Genehmigungsbehörden sich nicht mit den Verkehrsträgern Wasserstraße oder Schiene auseinandersetzen und dementsprechend auch dann einen Straßentransport genehmigen, wenn die Voraussetzungen für die Nutzung der Verkehrsträger Wasserstraße und Schiene gegeben sind“ (BMVI).

Großraum und Schwertransporte auf der Wasserstraße (und Bahn) spielen in Deutschland wie in Österreich keine Rolle und daran werden auch die dort angedachten neuen Maßnahmen beim Nachbarn keine rasche Lösung bringen. Einziger wirklicher Treiber auf dem Weg zu einer sinnvollen Transportverlagerung und umweltfreundlichen Verkehrspolitik könnten die ausufernden Kosten, die durch Untätigkeit entstehen, sein. Kaputte Straßen und desolate Brücken sprechen eine deutliche Sprache, die überall verstanden wird. Dem steht allerdings gegenüber – und das betrifft nicht nur einzelne Länder, sondern Europa als gesamten Verkehrsraum, dass die Bedeutung der Militärischen Mobilität dramatisch zunimmt. Für die Militärische Mobilität sind jedoch bestens verfügbare Straßen deutlich wichtiger als unflexible Bahnen oder Schiffe, die gerade noch zwischen zwei Schleusen ungehindert hin und her fahren können. Alle Bemühungen der EU bezüglich Ausbau der Transeuropäischen Netze deuten darauf hin, dass bereits jetzt der Militärischen Mobilität bei der Verkehrsinfrastrukturplanung der Vorrang eingeräumt wird. (PB)

Quelle: LOGISTIK express Journal 1/2022

 

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