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SOKO Donau

Nein, hier geht es nicht um ein kriminalistisches Fernsehformat, sondern eher um ein Drama. Hauptschauplatz ist auch nicht der Handelskai in Wien, sondern die gegenüber liegende Seite der Donau, dort wo die viadonau gegen die marode Wasserstraßen Logistik ankämpft.

Redaktion: Peter Baumgartner.

Doch auch in diesem Drama gibt es einen Bösewicht, „schlimme Buben“, Kieberer und Unschuldige. Hauptdarsteller und zugleich Bösewicht der Serie ist – die Donau. Sie ist praktisch immer und an allem schuld. Ob Niederwasser, Hochwasser, Nebel oder sonstige Naturereignisse, die Donau ist schuld, dass die Wasserstraßen Logistik nicht die Leistung erbringen kann, die sie soll. Überhaupt verhält sich der Fluss richtig „kriminell“, weil er nicht wie die Straße an jedem Fabriktor vorbei geführt werden kann. Passen zufällig einmal alle Transportvoraussetzungen auf der Donau optimal zusammen, dann haben die „schlimmen Buben“ – die Binnenschiffer – ihren Auftritt. Die sind dann wahlweise oder gleichzeitig zu langsam, zu teuer und überhaupt unverlässlich. Denen kann man keine Fracht anvertrauen. Deshalb wird mit Hochdruck am autonom fahrenden Schiff gearbeitet. Selbstredend, dass „die Guten“, Verkehrspolitiker und die sogenannten Stakeholder alle Hände voll zu tun haben, um ihre Mission – die Förderung der Binnenschifffahrt – erfüllen zu können.

Wie schwierig das ist zeigt die Tatsache, dass sich niemand mehr erinnern kann, wann die erste Serie der Staffel auf Sendung gegangen ist. Überliefert ist zum Beispiel, „dass die Binnenschifffahrt auf der Donau sich für Sofortmaßnahmen zur Entlastung der Straße als natürlicher und umweltfreundlicher Verkehrsweg anbietet“. Erdacht und festgeschrieben von ÖVP-Experten im ÖVP-Verkehrspolitischen Konzept – bereits im Jahr 2000.

Kapitäne sind unverlässlich, deshalb brauchen wir autonom fahrende Schiffe.
Was hat die Verkehrspolitik und aktuell die ÖVP/FPÖ-Regierung seither gemacht? Die Halbierung der Flugabgabe. Die flächendeckende Maut verhindert. LKW Nacht-60 kmh Beschränkung aufgehoben. Beraten statt strafen bei Gesetzwidrigkeiten. Gewichte und Abmessungen von LKW angehoben. Auf 10 Mio. Euro Mauteinnahmen verzichtet und natürlich dafür gesorgt, dass der LKW Verkehr inzwischen außer Rand und Band geraten ist. Alles Maßnahmen, die geradezu prädestiniert dazu sind, der Wasserstraßenlogistik an den Kragen zu gehen. Dafür braucht es gar kein Niederwasser mehr. Aber man kennt das aus dem richtigen Soko Donau Film – oft sind die „bösen Buben“ lange nicht zu erkennen.

Sie fressen Kreide, tragen schicke Klamotten und ein verbindliches Lächeln im Gesicht. Dann beschließen sie wie zuletzt anlässlich des EU-Ratsvorsitzes 2018 so schöne Sachen wie: Die Förderung des Wassertransports und Förderung der Zugänglichkeit, der Entwicklung und der Effizienz von Binnenwasserstraßen und Häfen. Oder, die Förderung der Einführung multimodaler Lösungen für den Güterverkehr. Dies trägt dazu bei, Güter auf nachhaltige Verkehrsträger wie Bahn oder Binnenschifffahrt zu verlagern. „Eine neue Ära beginnt: saubere, sichere und leistbare Mobilität für Europa“, tönte es vollmundig gegen Ende des Österreichischen Ratsvorsitzes.

Gleichzeitig diktierte der Verkehrsminister den Journalisten (Selbsterkenntnis ist der besten Weg zur Besserung): „Die Transportpotenziale der Wasserstraße werden nach wie vor nicht voll ausgeschöpft“. Wie sich die Aussagen doch immer wiederholen und über Jahrzehnte Gültigkeit bewahren. Fast so wie ein Kochrezept aus der k.u.k. Zeit – nur nicht so schmackhaft. „Durch eine aktive Rolle Österreichs in der europäischen Binnenschifffahrtspolitik und innerstaatliche Maßnahmenprogramme, wie das Aktionsprogramm Donau, soll die Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschifffahrt verbessert werden, um einen stabilen oder sogar gesteigerten Modal Split-Anteil der Donauschifffahrt zu erreichen“ versprach der Verkehrsminister. Sofort weiß der gelernte Österreicher, wie das Potential der Binnenschifffahrt verbessert werden soll, läuft doch seit Jahrzehnten das gleiche Szenario in gewohnter Weise ab: Man entwickelt (geförderte) „Programme“ sonder Zahl für eine bestimmte Laufzeit, wartet bis die Laufzeit zu Ende geht – und verlängert die Programme für einen weiteren Zeitraum.

Wahlweise kann man auch den Programmnamen ändern. Die perfekte Beschäftigungstherapie für ein Heer von Beamten und Programmentwicklern, mit dem Ergebnis, es wird keine einzige Tonne mehr auf der Wasserstraße transportiert. Das ist sogar schon dem Rechnungshof aufgefallen, der mit einiger Verwunderung angemerkt hat, dass angepeilte Ziele und Prognosen weit verfehlt wurden. Nur die Medien lassen sich noch von den netten Presseaussendungen einlullen und berichten, wenn überhaupt, von den „bösen Buben“, die schon wieder ein Plastiksackerl in die Donau geworfen haben oder dass in der Wachau ein braunes Schaumkrönchen in der blauen Donau gesichtet wurde.

2015 wurde der „Counselor“ – ein Logistikbeauftragter im Verkehrsministerium, unter tosendem Applaus der Medien installiert. Er sollte für eine nachhaltige Logistik sorgen und Bindeglied zwischen den Verkehrsträgern sein. 2019 diagnostiziert die Logistik Expertin Lisa-Maria Putz, „Die Binnenschifffahrt wird immer ein bisschen belächelt“. Und „In vielen Logistikausbildungen wird nur von Lkws, Hochseeschiffen und Luftfracht gesprochen. Bahn und Binnenschifffahrt bleiben oft ausgeklammert“, sagte die Expertin. Deshalb gibt es auch noch keinen HERMES Verkehrs Logistik Preis für Binnenschiffer. Es weiß ja trotz oder gerade wegen zahlreicher „Kümmerer“ kaum jemand, dass es auch eine nasse Logistik gibt. Was macht also die Verkehrspolitik? Genau, ein Counselor allein hat offensichtlich nicht gereicht, also gründet man noch eine Dachmarke „Austrian Logistics“ dazu. Und schon haben die Medien wieder eine schöne Schlagzeile. Wenn’s nix nützt, dann schad’s wenigstens nix.

Binnenschiffer sind keine Logistiker.
Diesmal hat die Verkehrspolitik eine offensichtlich unwiderlegbare Erklärung dafür, warum am Wasserweg noch immer nix läuft: das Niederwasser Desaster 2018. Das konnte niemand übersehen. Es ist daher klar und kommt sehr gelegen, dass die Transportmenge am Wasser in den Keller gerasselt ist. „Schuld“ ist trotzdem die Donau und weil die Bundesregierung alles unternimmt, damit die Klimaziele nicht erreicht werden, darf nicht sein, was nicht sein kann. Nicht die selbst verschuldete Klimaänderung ist schuld, sondern eben die Donau.
Dass angesichts dieser dramatischen Entwicklung die Stakeholder noch immer das 25 dm-Abladetiefgang-Dogma vor sich hertragen wie ein Pornodarsteller seinen 25 cm-Pimmel, stört niemand. Im Gegenteil.Man forscht fröhlich weiter bis man vielleicht zufällig den Schiffstyp für Niederwasser findet, den es schon vor 50 Jahren gegeben hat.

Flüsse spielen eine zentrale Rolle, wenn es um die Bewältigung des Klimawandels geht. Denn mit den steigenden Temperaturen werden auch Extremereignisse wie Starkregen und Überschwemmungen häufiger, aber eben auch Trockenheit und Dürre, warnen Forscher an der Boku-Wien und erinnern zaghaft an ein Problem, dass alle bisher bekannten Hindernisse der Wasserstraßenlogistik bald in den Schatten stellen könnte: Im Donauraum ist eine zunehmende Diskrepanz zwischen Überschuss und Sedimentmangel zu beobachten. Dies führt nicht nur zu einer Erhöhung der Hochwasserrisiken und einer Verringerung der Navigationsmöglichkeiten, der Wasserkraftproduktion und der Biodiversität. Durch den Sedimentmangel, hervorgerufen durch bauliche Maßnahmen im Fluss, gibt es bereits jetzt an manchen Flussabschnitten eine Eintiefung der Flusssohle von mehreren Metern. Niemand kann derzeit sagen, wie und wann dieses Problem gelöst werden kann. Das schlimmste denkbare Szenario ist ein völliger Durchbruch der Flusssohle. Sicher ist, um die größte Gefahr zu verhindern, wird das Sedimentmanagement dem Steuerzahler noch sehr viel Geld kosten.

Die Verkehrsexperten können sich schon mal neue Ausreden einfallen lassen, warum natürlich wieder die Donau schuld ist. Aber das Wissen um die unsichere Zukunft der Binnenschifffahrt könnte eine Erklärung dafür sein, warum man Industrieansiedlungen partout nicht an der Wasserstraße errichtet, sondern irgendwo auf der grünen Wiese in Hintertupfing, wo der LKW durch besiedeltes Gebiet donnern muss. Es könnte auch eine Erklärung dafür sein, warum sogar am Po in Italien Container mit dem Binnenschiff transportiert werden und auf der Donau nicht.

Freier Warenverkehr heißt nicht freie Wahl der Verkehrsmittel.
Bleibt noch die Frage, ob und wenn ja wann, der Oberst und seine Kieberer den Fall lösen werden. Die Befürchtung, dass die Binnenschifffahrts-Leiche ein Fall für den Gerichtsmediziner wird, liegt nahe. Aber vielleicht kommen nach der EU-Wahl im Mai Leute in Entscheidungsebenen, die erkennen, dass zumindest eine der Grundsäulen – der freie Warenverkehr – falsch interpretiert wird. Der freie Warenverkehr heißt nicht automatisch freie Wahl der Verkehrsmittel. (PB)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 2/2019

 

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