Stillstand ist der Tod, geh voran, bleibt alles anders

So textete Herbert Grönemeyer 1998, aber wir kennen das von den regelmäßig zu Neujahr gefassten guten Vorsätzen, die spätestens am Dreikönigstag wieder über Bord geworfen werden.

REDAKTION: PETER BAUMGARTNER.

Wir wissen zwar verlässlich, was wir ändern sollen, tun aber oft genau das Gegenteil. Warum das so ist? Da gibt es unterschiedliche Erklärungen dafür. Manche sagen, weil Neujahrsvorsätze unter Alkoholeinfluss gefasst werden und nüchtern betrachtet… . Übertragen auf die Wirtschaft weiß man dort zwar auch genau, ob, wann und wo Änderungsbedarf besteht, aber Alkohol ist eher nicht der Grund, warum es dennoch nicht gemacht wird.

Die Wirtschaft hat eher immer gut begründete und kaum zu widerlegenden Argumenten, warum Änderungen nicht, falsch oder zu spät angedacht werden. Covid hat der Binnenschifffahrt aber eine Situation beschert, wo die Reedereien, aber auch alle in die Binnenschifffahrt involvierten Stakeholder quasi vor der Neujahrsfrage stehen und sich nicht mehr vor der Umsetzung drücken können. Welche Änderungen nehme ich mir vor?

Die Schifffahrtsbehörden werden sich fragen, welche Änderungen schreibe ich vor? Die Schiffswerft wird vielleicht fragen, welche Änderungen schlage ich vor? Und der Kapitän wird sich fragen, kommen die richtigen Änderungen? Ein paar Antworten auf diese Fragen kennt man ansatzweise bereits. Einige Reedereien haben bereits Änderungen durchgeführt/angekündigt, sind um Anpassungen an die Pandemie Situation bemüht und bereit für laufende Anpassungen.

Im privaten und im wirtschaftlichen Bereich, ist aber nicht allein der Änderungswille ausschlaggebend, sondern ob die richtigen Änderungen zur richtigen Zeit am richtigen Ort umgesetzt werden. Zur Umsetzung der richtigen Hygienebedingungen hätten wir Covid nicht gebraucht. Das weiß jeder, der bei klarem Verstand ist und dennoch wurde ausgerechnet Hygiene bisher oft vernachlässigt. Egal ob Hygiene, Abstand halten, Lüften usw., jeder kennt die Grundvoraussetzungen für ein gesundes Zusammenleben – und macht es dennoch nicht. Jetzt hat uns Covid die Rechnung serviert und jetzt wird reagiert, weil es nicht mehr anders geht. In der Hoffnung, dass nach einigen Änderungen nicht wieder Stillstand oder gar Rückschritt herrscht, kann man also sagen, besser zu spät, als gar nicht.

Ausgehend von der Grundsituation in der Zeit vor Covid, muss man zunächst folgendes festhalten: Niemand in der Binnenschifffahrt hat alle notwendigen Bordabläufe so gehandhabt, dass nach Covid keine Anpassung oder kein Änderungsbedarf bestehen würde. Ausnahmslos alle haben erkannt, Änderungen müssen sie jetzt umsetzen. Dabei geht es nicht mehr nur um die Bekämpfung eines aktuellen Problems, sondern um Prävention. Das ist gut so, zeigt aber auch, wo überall Fehler gemacht wurden. Und das keineswegs nur in den Reedereien, sondern auch bei den Behörden, weil Regeln natürlich nur dann wirksam sind, wenn sie für alle gleich, mit Kontrollen und Sanktionen hinterlegt, gelten.

Innerhalb der Binnenschifffahrt hat/wird Covid in der Passagierschifffahrt – und da wieder in der Flusskreuzfahrt, die mit Abstand schlimmsten Folgen hinterlassen. Dabei hätte es ab 2020 so schön werden können, wie eine Marktanalyse von Industry Growth Insight (IGI) bestätigt. Man kann darüber spekulieren, ob es damit zusammenhängt, dass die Flusskreuzfahrt der am schnellsten wachsenden Bereich der Binnenschifffahrt ist oder nicht. Tatsache ist, dass es ein global funktionierender Markt ist, der regional nicht regelbar ist, wenn es gleichzeitig eine gesunde Konkurrenz geben soll. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich der Kostendruck negativ auf die goldenen Grundregeln und den gesunden Menschenverstand auswirkt.

Und da gibt es ja auch noch die Mitschuld der Konsumenten, für die „Geiz ist geil“ eine Lebensphilosophie ist. Eine Premium-Flusskreuzfahrt mit Vollpension und allem Pipapo um weniger als 100 Euro pro Tag wird nicht nur erwartet, sondern gefordert. Danach hat sich logischerweise auch die Bewerbung für Flusskreuzfahrten gerichtet. Trinken und essen bis der Kragen platzt. Spa, Entertainment, Ausflüge, Kunst und Kultur. Alles – inklusive WLAN – im Premium-Tarif enthalten. Keine Reederei ist auf die Idee gekommen, mit dem „besten Hygienestandard“ oder mit dem „höchsten Sicherheitsstandard“ zu werben. Warum auch? Die Gäste erwarten das selbstverständlich. Ist es aber nicht, weil Hygiene und Sicherheit wie der zweite Gang zum Buffet Geld kosten.

„Dank“ Covid haben sich die Prioritäten bei den Kunden plötzlich verschoben und jede Reederei geht ungefragt in die Vorleistung. Essen und Trinken ist an Bord zwar immer noch wichtig und wird es auch bleiben, aber Buchungsvoraussetzung sind plötzlich die Informationen zum Bordbetrieb hinsichtlich Hygiene und Sicherheit.

A-ROSA hat die Lehren aus der Krise für die Zukunft gezogen. Die „neue Normalität“ kann beginnen.
Die A-ROSA Flussschifffahrt, einer der führenden Anbieter in Europa, betreibt 12 Premium-Schiffe und wächst bei einer 90 % Kabinenauslastung seit sechs Jahren konstant im zweistelligen Bereich. „Ein Expertenteam aus internen und externen Spezialisten für Hygiene und Gesundheit wurde gegründet. Für den im Juni geplanten Neustart hat A-ROSA ein umfangreiches Hygiene- und Gesundheitskonzept erstellt. An Bord wird es ein eigenes geschultes Care-Team geben. Wir haben jeden Aspekt unserer Reisen sorgfältig überprüft, um vor allem den Kontakt miteinander auf das notwendige Minimum zu reduzieren. Dies beginnt mit einer Überprüfung des Gesundheitszustandes vor der Reise, führt über Sitzgruppen und Sonnenliegen auf Abstand bis hin zum möglichst kontaktlosen Bezahlen beim Check-Out. Entsprechend der Empfehlungen der Behörden und des Robert Koch-Institut (RKI) gibt es klare Verhaltensregeln an Bord, u.a. in Bezug auf den Mindestabstand von 1,50 Meter oder eine regelmäßige Handhygiene. Bei den Ausflügen – egal ob Fahrradtour, Stadtspaziergang oder Rundreise – werden wir die Gruppengrößen reduzieren, damit der Mindestabstand bequem eingehalten werden kann.“

„Safety und Security sind bei River Advice in professionellen Händen“
„River Advice betreibt und übernimmt im Auftrag der Eigentümer die nautische und technische Verantwortung von über 100 Schiffen. Damit ist das in der Schweiz ansässige Unternehmen Marktführer auf dem europäischen Kontinent. Speziell zur COVID-19 Thematik sind wir mit unseren Partnern dabei, verschiedene Strategien zu erarbeiten. Hierbei gehen wir aber sehr vorsichtig vor, da es plötzlich diverse Vorschläge auf den Markt gibt, welche alle geprüft sein müssen, zu viele davon sind nur kurzfristige Geschäftsmodelle.“ Eine durchaus verständliche Zurückhaltung, weil viele Geschäftsmodelle nur darauf abzielen, mit Covid zu (über)leben und nicht viel zur Prävention beitragen. Außerdem, wer würde auf einem Kreuzfahrtschiff schon gerne mit einem ganzkörper Bubble Shield herumlaufen wollen.

Mark Twain muss sich nicht mehr vor Quarantäne fürchten.
Die American Queen Steamboat Company (AQSC) versichert als Reaktion auf Covid einen proaktiven Kurs einschlagen zu wollen und versucht das, indem auf Gesundheitsexperten gesetzt wird, die den Bordbetrieb mitgestalten. Sichtbar wird das durch die Zusammenarbeit mit Ochsner Health, die nicht nur beratend tätig werden, sondern zum Beispiel auch medizinische Vertreter an Bord einsetzen oder über Telehealth ständig erreichbar sind. Der große Gesundheitsanbieter hat auch ein weit verzweigtes Netz an Niederlassungen, was der Mississippi-Schifffahrt zugutekommt. In Abstimmung mit den Hafenbehörden bekommen Passagiere und Besatzungsmitglieder so die Möglichkeit, im Notfall überall auf der Route schnell von Bord gebracht werden zu können, wo sie dann von Ochsner Health bevorzugt betreut werden. Neben Wärmebildkameras zusätzlich zur Temperaturmessung, werden bei AQSC nur Desinfektionsmittel verwendet, die von der Gesundheitsbehörde als geeignet erkannt und empfohlen wurden.

„Restart Your Business with BV“
Bureau Veritas (BV), ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich der Test-, Inspektions- und Zertifizierungsdienstleistungen (TIC), hat ein umfangreiches Lösungspaket entwickelt, um Unternehmen aller Größenordnungen branchenübergreifend bei der Wiederaufnahme ihrer Geschäftstätigkeiten zu unterstützen und Gesundheits-, Sicherheits- und Hygienebedingungen zu überprüfen. Aufbauend auf 200 Jahren Erfahrung im Risikomanagement hat das global tätige Bureau Veritas eine Reihe von Lösungen entwickelt, um den Bedürfnissen von Unternehmen aller Wirtschaftssektoren bei der sicheren Rückkehr in den Geschäftsalltag individuell gerecht zu werden. Nach strengen Regeln der Schiffszertifizierer können auch Reedereien das „Restart Your Business with BV“ Label erreichen. Die weltweit erste Reederei ist der spanische Fährbetreiber Baleària. (PB)

Quelle: Binnenschiff Journal 3/2020

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