Was wollen wir erreichen? (1) – „VCÖ – Mobilität mit Zukunft“

Gemessen an der Anzahl der Vereine, Verbände und Organisationen, die sich als Experten für grünen Verkehr, nachhaltige Mobilität und intelligente Transportlösung erachten, dürfte es gar keine verkehrsbedingten Umweltprobleme geben. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben das Höchstmaß an Umweltproblemen erreicht und der Verkehrssektor ist einer der größten Umweltverschmutzer. Jetzt ist Schluss mit lustig! In dieser Serie wollen wir einige Experten aus der Sicht der Binnenschifffahrt vorstellen.

Die Binnenschifffahrt spielt eine wichtige Rolle für den Güterverkehr in Europa. Mehr als 37.000 Kilometer Wasserstraßen verbinden hunderte Städte und Industrieregionen. 13 Mitgliedstaaten verfügen über ein zusammenhängendes Wasserstraßennetz. Das Potenzial zur Erhöhung des Modalanteils der Binnenschifffahrt ist signifikant. Im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern, die häufig mit Staus und Kapazitätsproblemen konfrontiert sind, zeichnet sich die Binnenschifffahrt durch ihre Zuverlässigkeit, Energieeffizienz und große Kapazität für eine erhöhte Nutzung aus. Ziel der Europäischen Kommission ist es, die Wettbewerbsposition der Binnenwasserstraßen im Verkehrssystem zu fördern und zu stärken und ihre Integration in die intermodale Logistikkette zu erleichtern.

Die Binnenschifffahrt ist eine wettbewerbsfähige Alternative zum Straßen- und Schienenverkehr. Insbesondere beim Energieverbrauch und bei den Geräuschemissionen bietet sie eine umweltfreundliche Alternative. Sein Energieverbrauch pro km/Tonne beförderter Güter beträgt etwa 17 % des Energieverbrauchs des Straßenverkehrs und 50 % des Schienenverkehrs. Darüber hinaus sorgt die Binnenschifffahrt für ein hohes Maß an Sicherheit, insbesondere wenn es um den Transport gefährlicher Güter geht. Schließlich trägt sie dazu bei, überlastete Straßennetze in dicht besiedelten Regionen zu entlasten.

European Commission, Mobility and Transport / 2021

Der Verein „VCÖ – Mobilität mit Zukunft“ mit Sitz in Wien (gegründet 1988), ist nach eigener Darstellung eine parteiunabhängige, auf Mobilität und Transport spezialisierte, gemeinwohlorientierte Organisation. Der VCÖ ist eine anerkannte Umweltorganisation nach dem UVP-Gesetz 2000. Ziel des VCÖ ist ein ökologisch verträgliches, ökonomisch effizientes und sozial gerechtes Verkehrssystem. Eine intakte Umwelt als Lebensgrundlage auch für zukünftige Generationen ist dem VCÖ ein zentrales Anliegen. Die Sichtweise des VCÖ ist global orientiert, themenübergreifend und berücksichtigt die Interessen zukünftiger Generationen. Der VCÖ arbeitet wissensbasiert und zeigt Lösungen auf, die auch langfristig zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Allerdings kommt die Binnenschifffahrt, trotz eindeutiger Zielsetzungen der EU-Verkehrspolitik, bei den Überlegungen des VCÖ nicht vor.

Je nach Sichtweise und Sympathie könnte man dazu anmerken, dass der Verkehr und die Mobilität in Österreich ohne VCÖ eine noch schlechtere Position als derzeit hätte. Tatsächlich setzt sich der VCÖ sehr für einen nachhaltigen Verkehr ein und betreibt dafür eine ansehnliche, auf Fakten passierte, Öffentlichkeitsarbeit. Ein Aushängeschild ist sicher der VCÖ-Mobilitätspreis, der schon seit 30 Jahren vorbildliche Mobilitätsprojekte auszeichnet. Teilgenommen (aber noch nie ausgezeichnet) haben an der Auslobung auch bereits „nasse“ Projekte. Nicht unerwähnt soll werden, dass der VCÖ in seiner Geschichte ein paar Mal auf das unausgeschöpfte Potential der Wasserstraße Donau hingewiesen hat. Man könnte jedoch auch sagen, dass sich in Österreich trotz VCÖ die CO2-Emissionen des Lkw-Verkehrs seit dem Jahr 1990 mehr als verdoppelt haben. Und man könnte einwenden, dass die gesamten CO2 Emissionen des Verkehrs in Österreich zwischen 1990 und 2019 sogar um 75 Prozent gestiegen sind. Zwischen 2010 und 2021 wurden um 5,3 Prozent mehr Autobahnen und um 14,8 Prozent mehr Landes- und Gemeindestraßen gebaut. Entsprechen großzügig geht man hierzulande im Vergleich mit den meisten anderen Staaten mit dem Tempolimit um. Nur 3,8 Prozent mehr Hauptbahnen steht ein Minus von 6 Prozent Regionalbahnen gegenüber. Die ÖBB, ein wichtiger Kooperationspartner des VCÖ und gerade wieder wegen der staatlichen Zuschüsse ins Gerede gekommen, kann kaum gegen den LKW punkten und verliert sogar hinsichtlich der Verkehrssicherheit dramatisch.

In keiner vergleichenden Darstellung des VCÖ….

Der Verein VCÖ setzt sich dafür ein, dass Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und sozialer Stellung mobil sind, indem sie ihre Wege zeitsparend, kostengünstig und sicher zurücklegen können. Bei der anhaltenden Diskussion um die Förderung des ÖPV und bei den jüngsten Änderungen zugunsten des ÖPV, hat sich der VCÖ rege beteiligt. Die Binnenschifffahrt und ihr Leistungsvermögen im Bereich des ÖPV, wurde vom VCÖ jedoch nicht thematisiert. Im Sinne einer themenübergreifenden Behandlung des ÖPV, hätte der VCÖ zumindest anmerken können, dass es – um die Ziele im ÖPV zu erreichen – absolut notwendig ist, alle Möglichkeiten auszuschöpfen und an allen Schrauben zu drehen.

Der VCÖ finanziert sich nach eigenen Angaben zum größten Teil durch die Spenden von Privatpersonen. Im Jahr 2020 waren das 5.740 Personen. Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen gibt es allerdings nicht. VCÖ-Projekte werden zudem von Bundesministerien, Bundesländern, Städten und Gemeinden sowie von Unternehmen unterstützt. Ungewidmete Spenden machten 2020 473.000 Euro aus und 85.000 Euro waren gewidmet. Die betrieblichen Einnahmen ohne öffentliche Gelder haben 508.000 Euro ausgemacht. 34.000 Euro bekam der VCÖ an öffentlichen Subventionen und Zuschüssen und 352.000 Euro Projektförderung aus öffentlichen Mitteln. Insgesamt wurden 2020 Einnahmen von 1,437 Mio. Euro erzielt. Die FPÖ reibt sich schon seit Jahren am VCÖ und hat schon mehrmals wegen Subventionen und öffentlichen Auftragsvergaben parlamentarische Anfragen gestellt. 2014 stützte die FPÖ eine Anfrage wegen öffentlicher Subventionen an den VCÖ, weil dieser gleichzeitig einen Kooperationspartner aus der Rüstungsindustrie zu verzeichnen hatte. Es handelte sich dabei um Thales Österreich. Das Unternehmen ist Teil der weltweit agierenden Thales Group mit Sitz in Paris, die sich als börsennotierter Rüstungskonzern mit Aktivitäten in Militärtechnik, Luft- und Raumfahrt sowie Sicherheit und Transport beschäftigt. Der österreichische Thales Firmenchef Hannes Boyer, wurde heuer zum Präsidenten des Verbandes der Österreichischen Bahnindustrie gewählt.

…findet die Binnenschifffahrt oder die Wasserstraße eine Anwendung.

Dr. Willi Nowak (63), Geologe und seit 1988 Geschäftsführer von VCÖ sagt: „Wir setzen uns mit ganzer Kraft dafür ein, dass alle Menschen faire Mobilitätschancen erhalten und die Belastungen durch den Verkehr in Form von Stau, Abgasen und Lärm für Menschen und Umwelt kleiner werden. Mit unseren Ideen von heute schaffen wir die Grundlage der Mobilität von morgen. Ein Verkehrssystem, für das sich der VCÖ stark macht, ist Ausdruck einer lebenswerten Welt, nützt den Menschen, schont die Umwelt und ermöglicht eine nachhaltige Wirtschaftsweise. Wer heute einen Kurswechsel in der Mobilität blockiert, ist mitverantwortlich dafür, dass später einsetzende Maßnahmen schmerzhafter und teurer sein werden“(Nowak). Die von der EU skizzierten Vorzüge der Binnenschifffahrt decken sich mit Vorstellungen des VCÖ-GF, allerdings spielt die Binnenschifffahrt in den Wortmeldungen von Nowak keine Rolle. Schon aus nautischen Gründen ist die Binnenschifffahrt für einen „Kurswechsel“ zuständig. Und ein kurzer Blick über die Staatsgrenzen würde zeigen, welche Bedeutung die Binnenschifffahrt in anderen Ländern schon sehr lange innehat.

Für 2021 hatte sich der VCÖ vorgenommen, internationale Good Practice-Beispiele vorzustellen und konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, wie der Verkehr in Österreich transformiert und klimaverträglicher gestaltet werden kann. Als besonders wichtig nannte der VCÖ dabei die Vermeidung, Verlagerung und Verbesserung von Verkehr. Bei diesem Schwerpunkt ging es dem VCÖ um die Frage, welche Lösungsansätze in anderen Staaten implementiert wurden und welche Herausforderungen zu erwarten sind, wenn ähnliche Maßnahmen in Österreich umgesetzt werden. Welchen Stellenwert bei diesen Überlegungen die von der EU geplanten und geforderten Wasserstraßen-Lösungen haben, bleibt in der Darstellung des VCÖ unklar. Insbesondere das Verlagerungspotential hin zur Binnenschifffahrt, wird nicht angesprochen.

Die VCÖ-Grafik zeigt eine beachtliche Breitenwirkung der Vereinsarbeit.

Zusammenfassend kommt man Schluss, die Zahlen zeigen, dass der VCÖ eine beträchtliche Breitenwirkung hat. Man kann durchaus davon sprechen, dass der VCÖ ein entscheidender Meinungsmacher in punkto Verkehres und Mobilität ist. Trotz der überdurchschnittlich hohen öffentlichen Mittel, die dem Verein zur Verfügung stehen, gibt es keine themenübergreifende Behandlung bei der inhaltlichen Zielsetzung „Mobilität mit Zukunft“. Das Verkehrssystem Binnenschifffahrt, das lt. EU dazu geeignet ist, Lösungen für einen nachhaltigen Verkehr zu bieten, wird vom VCÖ ausgeklammert.

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