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Welt-Statistiktag 2020

Der Welt-Statistiktag ist ein internationaler Aktionstag der UN-Statistikkommission. Er findet auf Initiative der Vereinten Nationen in mehr als 100 Ländern statt, um die Bedeutung offizieller Statistiken hervorzuheben, die auf den Grundwerten Dienstleistung, Professionalität und Integrität basieren.

REDAKTION: PETER BAUMGARTNER.

Der dritte Weltstatistiktag wird am 20. Oktober 2020 rund um den Globus unter dem Motto „Die Welt mit Daten verbinden, denen wir vertrauen können“ gefeiert. Dieses Thema lichtet die Bedeutung von Vertrauen, maßgeblichen Daten, Innovation und dem Gemeinwohl in den nationalen statistischen Systemen ab.

Genau diese Zusammenfassung über die Bedeutung und den Wert der Statistik, wurde in Österreich in der jüngsten Vergangenheit arg auf die Probe gestellt. Stichwort „Massage Control“. Einerseits gab es eine höchst umstrittene personelle Umfärbung bei der Statistik Austria und anderseits wirkt die vom Statistikrat geäußerte Kritik (Budgetkürzungen), den Aufgaben der Statistik Austria diametral entgegen.

Aber ganz unabhängig von den hausgemachten Abläufen, die keineswegs dazu beitragen, das Vertrauen in die Statistik zu stärken, mit dem Erfassen von Daten, seien sie noch so gut, ist nichts getan, wenn sie nur der Archivierung dienen. Was wir brauchen ist so etwas wie ein Feiertag der umgedrehten Statistik. Das funktioniert aber nicht, wenn zum Beispiel Ban Ki-Moon sagt: „Wir müssen sicherstellen, dass alle gezählt werden, insbesondere die Armen und Schwachen.“ Nicht die Zunahme an Fehlentwicklungen, selbst wenn sie durch genaue Daten belegt werden, sind Grund für eine Feierstimmung. Es ist zynisch und sinnbefreit, die Zunahme an armen Menschen zu zählen, ohne etwas dagegen zu tun.

Genauso ist es mit der Verkehrsstatistik. Wir registrieren mit immerwährender Kontinuität die Zunahme des Verkehrs. Und dass der Straßenverkehr durch die Decke geht, wissen wir dank genauer Zahlen auch. Gleichzeitig bekommen wir es amtlich, dass Schiene und Binnenschiff kaum an Marktanteilen gewinnen. Statistiker werden hier zu Verkündern und Verwaltern des Versagens einer Verkehrspolitik gemacht, für die jede Statistik ausschließlich der Parteipolitik dient. Eine ungerechte Abwertung für hart und wissenschaftlich arbeitende Menschen in den Statistikämtern.

Auch in der Binnenschifffahrt spielt die amtliche Statistik eine Schlüsselrolle. Stellt man sich die Frage, was Statistik überhaupt ist, landet man bei unterschiedlichen Auslegungen. Die meistzitierte Erklärung dazu wird oft Mark Twain zugerechnet und die lautet seit einhundert Jahren: „Es gibt drei Arten von Lügen – Lügen, verdammte Lügen und Statistiken“. Daraus könnte man die Erkenntnis ableiten, wer besonders gemeine Lügen verbreiten will, bedient sich der statistischen Darstellung bestimmter Vorgänge.

Der statistische Durchschnittskonsument gibt sich aber mit der Philosophie zufrieden, dass eine Statistik nichts anderes ist als eine Hypothese, die jedenfalls nur solange Gültigkeit hat, bis das Gegenteil bewiesen ist. Tatsächlich gibt es in der Binnenschifffahrt einige solcher Hypothesen, die gerne als „amtliche Statistik“ verkauft werden. Kaum jemand macht sich aber die Mühe, diese Hypothesen zu überprüfen. Falls die Erhebung von Daten tatsächlich eine wichtige Säule und Grundlage für verkehrspolitische Entscheidungen sein soll, dann haben die zuständigen Politiker/
Politikerinnen, mit Blick auf die Binnenschifffahrt, in den letzten Jahrzehnten davon noch nicht Gebrauch gemacht.

Ein Beispiel: Bis zum Jahr 2002 wurden die Daten des Personenverkehrs auf der Donau und auf den Binnenseen erhoben und statistisch aufbereitet. Seit 2003 werden diese Daten nicht mehr erfasst. Dennoch werden von amtlichen Stellen immer wieder Zahlen genannt, die jeder statistischen Grundlage entbehren. Folglich können hier, abgeleitet von einer amtlichen Statistik, gar keine tragfähigen politischen Entscheidungen getroffen werden, weil es schlicht keine belastbaren Daten gibt. Dabei hat der Personenverkehr auf den Gewässern eine durchaus hohe Bedeutung. Zumindest hinsichtlich verkehrs- und tourismuspolitischer Entscheidungen. Die Auswirkungen fehlender Daten sind auch überall deutlich sichtbar.

Es gibt keine Tourismusstrategie, die den Passagierverkehr auf den Gewässern maßgeblich berücksichtigt. Ganz zu schweigen von einer Integration in den ÖPNRV. Nur ein einziges Schiff in ganz Österreich verkehrt im Interesse des ÖPNRV. Und das auch nur aus Eigeninitiative, ohne jede Förderung und politische Unterstützung. Gleiches gilt für den Wassertourismus insgesamt. Es gibt keinen Masterplan, der der Bedeutung des Wassertourismus gerecht werden würde. Personenverkehr auf dem Wasser und Wassertourismus wird in Österreich verwaltet – nicht gestaltet. Und das wohlgemerkt in einem Land, das von sich mit Fug und Recht behaupten kann, ein mächtiges Wasserschloss zu sein.

Nicht besser verhält es sich auf europäischer Ebene, wiewohl es einige Staaten gibt, die unabhängig von der Gemeinschaft, einen wesentlich besseren Zugang zum Thema Binnenfahrgastschifffahrt und ÖPNRV haben. Ein erhebliches „Datenleck“ wird dennoch von der EU beharrlich verwaltet und nicht beseitigt. Die Flusskreuzfahrt ist in den letzten 30 Jahren förmlich explodiert. Kaum ein anderer Tourismusbereich in Europa hatte bisher solche Zuwächse zu verzeichnen und der Trend von jährlichen Steigerungsraten im zweistelligen Bereich, wurde nur durch Corona gestoppt.

Die Auswirkungen dieses Wirtschaftsbereiches sind weitreichend. Immerhin handelt es sich hier zum Teil um Kabinenschiffe, die mit entsprechender Größe inklusive Besatzung bis zu 250 Personen an Bord haben. Man kann sich vorstellen, was das für die Infrastruktur der einzelnen Kommunen bedeutet. Welche Auswirkungen das auch auf den Tourismus und die Wirtschaft insgesamt hat. Ja selbst die arbeitsplatzpolitische und umweltpolitische Relevanz ist erheblich.

Dennoch wissen wir in ganz Europa nicht, in welcher Zahl und Größe diese Schiffe wann und wo aufkreuzen. Wir kennen nicht mal die Gesamtzahl! Der Grund ist auch hier in der fehlenden amtlichen Statistik zu suchen. Um das Motto des Weltstatistiktages in abgewandelter Form zu verwenden: Europa wird von Daten verbunden, denen man nicht trauen kann. Das geschieht natürlich nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil die gesetzliche Grundlage fehlt.

Das Gesetz definiert zwar den Begriff Kabinenschiff (ein Schiff mit Kabinen für Fahrgäste), gezählt werden aber nur Schiffe, die mindestens 40 Kabinen haben. Warum? Weil es einen privaten Katalog gibt, der alle Schiffe ab 40 Kabinen auflistet. Das ist die Grundlage für eine „amtliche Statistik“ in ganz Europa. Dazu muss man wissen, dass die Zahl jener Kabinenschiffe, die gewerblich betrieben werden, aber weniger als 40 Kabinen haben, ebenfalls stark zugenommen hat. Man schätzt, dass ihre Zahl etwa gleich groß ist, wie die der gezählten Kabinenschiffe. Wenn man also in der Binnenschifffahrt (egal ob Frachtschifffahrt oder Passagierschifffahrt) über die Qualität der amtlichen Statistik spricht, wird es Zeit, dass bald jemand den Rettungsring wirft. Der amtlichen Statistik steht das Wasser bis zum Hals. (PB)

Quelle: Binnenschiff Journal 5/2020

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