Wird die Haselsteiner Frachtbahn Traktion zum Hecht im Karpfenteich?

Manchmal glaubt man spontan, das kann nicht zusammenpassen und wundert sich dann: Geht doch!

REDAKTION: PETER BAUMGARTNER.

Das kommt einem auch in den Sinn, wenn man über Bahn und Binnenschifffahrt und über mögliche Kooperationen spricht. Die Bahn fährt auf Schienen und das Binnenschiff mäandert zwischen zwei Ufern. Wie soll das zusammenpassen? Aber Gegensätze ziehen sich bekanntlich an und wenn man etwas um die Ecke denk, lassen sich gute Gründe für eine Kooperation finden, die aus konservativer Betrachtung heraus unmöglich erscheinen mögen. Dies gilt nicht nur für Bahnbetreiber und/oder Reeder, sondern insbesondere auch für die großen Transportgenossenschaften in der Binnenschifffahrt.

Zum Unterschied von Fourth Party Logistics Providern oder Speditionen, geht es in diesem Beitrag also um Innovation in der operativen Transportlogistik. Es ist aber auch ein Apell an die Politik, nicht nur an Konzepte und Förderungen für einzelne Transportsparten zu denken, sondern einen integrierten Ansatz zu wählen.

Wenn der künftige Mobilitätsmasterplan 2030 zum Ziel hat, „Verkehr vermeiden“, „Verkehr verlagern“ und „Verkehr verbessern“, dann müssen alle in einem Boot sitzen – auch die Bahn. Es ist zu kurz gedacht, bei der Transportverlagerung nur an Straße – Schiene zu denken. Und es ist schade, wenn sich das neue Regierungsprogramm damit abzufinden scheint, dass die Schifffahrtsindustrie in Österreich kein zentraler Sektor für den Wirtschaftsstandort ist.

Wer sagt, dass das bis in alle Ewigkeit so bleiben muss? War es nicht schon in der Vergangenheit ganz anders? Die Schifffahrtsindustrie ist ganz maßgeblich beeinflusst von der Verlagerungspolitik, der Industrieansiedlungspolitik und von der Raumordnungspolitik. Das heißt, die Politik hat es in der Hand, innovative Entwicklungen zu fordern – nicht nur zu fördern. Wenn die künftige Verkehrspolitik aber dem Regierungsprogramm folgend, die ÖBB nur in Kooperation mit regionalen Systempartnern als zentralen Dienstleister sieht, werden die angestrebten Ziele kaum zu erreichen sein – es sei denn, Haselsteiners-Frachtbahn, die 2020 zum Leben erweckt werden soll, entwickelt sich zum Hecht im Karpfenteich.

Alle in einem Boot.
Die Herausforderungen in der Transportlogistik sind für alle Transportteilnehmer hoch: Hoch- und Niederwassere bedingt durch Klimawandel, Stürme, Extremwetterereignisse. Niemand kann diese Herausforderungen künftig alleine bewältigen oder gar ignorieren. Aber der ökonomische Erfolg in der Transportlogistik kann sich dennoch einstellen, wenn man sich den Herausforderungen bestmöglich gemeinsam stellt. Bahn, Schiff, Flieger, LKW – im Moment macht jeder sein Ding und sieht im jeweils anderen Anbieter einen gefährlichen Konkurrenten. Das haben wir immer so gemacht, hört man, wenn man mit fossilen Logistikern spricht.

Aber das wird so in Zukunft nicht mehr funktionieren. Etablierte, konservative Denkmuster haben nämlich einen großen Nachteil, sie können nicht rasch genug auf Veränderungen reagieren. Dabei hat jeder Transportsektor für sich genommen im Verbund mit der jeweiligen Infrastruktur hervorragende Voraussetzungen. Welche Transportrevolution könnte explodieren, würde man diese Voraussetzungen quasi zu einem Laserstrahl bündeln und zum Beispiel dem Klimawandel entgegenhalten? Aber Kooperation funktioniert nur mit intensiver Kommunikation. Selbstdarsteller sind für diese Konstellation nicht geeignet.

Zusammen sind wir stark.
Was wären zum Beispiel die Vorteile großer Kooperationen zwischen Bahn und Binnenschifffahrt? Insbesondere bei unbeeinflussbaren Ereignissen, haben wir in der Vergangenheit schon gesehen, braucht es eine hohe Flexibilität und ausreichend Kapazitäten um handlungsfähig zu bleiben. Natürlich kann die Bahn oder vice versa die Binnenschifffahrt, auch wenn sie nicht unter einem Dach leben, auf die jeweils anderen Spezifikationen zugreifen. Jedoch sind solche Zwangsreaktionen kaum rasch umsetzbar und hinterlassen immer einen Kollateralschaden.

Kunden werden flexibler, Tarife geraten in Schieflage usw. Dabei ließen sich durch intelligente Kooperationen die Umlenkmöglichkeiten gerade bei länger anhaltenden Infrastrukturschäden oder Streik schadlos bewältigen. Denkt man an die Umweltfreundlichkeit im Transportwesen und die notwendige Dekarbonisierung, kommt man schnell auf den großen Spielraum der sich anbietet, wenn die Stärken unterschiedlicher Transport-Modi zur richtigen Zeit genutzt werden.

CONTARGO, einer der führenden Logistik Dienstleister zum Beispiel, transportiert pro Jahr weit über 2 Mio. TEU in 5 Ländern Europas. Dazu greift das Unternehmen auch auf eigene Schiffs- und Bahnlinien zu.

Neben den schon beschriebenen realisierbaren Vorteilen, verfolgt das Unternehmen auch eine umweltschonende Strategie: „Unser Bestreben ist, möglichst viele Transporte von der Straße auf andere Verkehrsträger zu verlagern. Unser dichtes Netzwerk eigener Terminals erlaubt es uns, im modalen Split die optimale Distanz mit dem Binnenschiff zurückzulegen.

Das nützt unseren Kunden, weil die Kosten sinken, und der Umwelt, weil mit dem Binnenschiff die CO2-Emissionen pro Tonnenkilometer reduziert werden.“ Niemand wird die Sinnhaftigkeit dieser Entscheidung anzweifeln – nur, man muss es halt auch machen. Denn tagtäglich verursachen LKW einen volkswirtschaftlichen Millionen Euro Schaden. Und im Stau werden permanent unzählige Arbeitsstunden und Rohstoff sinnlos „verheizt“.

Das Schiff gewinnt hingegen überlegen die Umweltbilanz und Wasserstraßen kennen kaum Staus und schon gar keine Sonntagsfahrverbote. Die Zahlen zeigen den Erfolgskurs des Logistikers. Aktuell liegt der Modal Split im Unternehmen bei 75 % Schiff, 20 % Bahn und 5 % LKW. Die Zielsetzung bis 2030 sieht vor, 48 % Schiff, 48 % Bahn und 4 % LKW.

Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Möglichkeit haben, die Richtung zu wechseln. Was könnte, außer einem starken Unternehmerwillen und Innovationskraft zu mehr Kooperation im Transportsektor beitragen? Für die Kunden würde ein einheitliches Preismodell für alle Verkehrsmittel den Umstieg auf das jeweils beste Verkehrsmittel erleichtern. Dazu bräuchte es aber politische Unterstützung – Stichwort Kostenwahrheit.

Auch die Berücksichtigung, dass bessere Transportlösungen im Sinne der Umwelt auch bessere Fördervoraussetzungen haben, stärkt Kooperationen. Es macht wenig Sinn, eine trimodale Hafenförderung auf die Beine zu stellen, wenn damit ein Umschlagskran an der Hafenkante finanziert wird, der langsam vor sich hin rostet, während gleichzeitig die Lagerflächen für den LKW-Transport explodieren.

In Summe braucht es also Förderungen für nachvollziehbare Lösungen des Modal Shift und nicht eine Förderung nach dem Gießkannen-Prinzip. Diese Förderpolitik hat uns dahin gebracht, wo wir heute stehen, aber nicht sein sollten. Vor dem Hintergrund des unbestritten zu erwartendem Anstieg im Güterverkehr, kann davon ausgegangen werden, dass die damit einhergehenden Herausforderungen nicht von FÖRDERnehmern in „klickediklacke“ Schuhen, sondern von beherzten UNTERnehmern im Konzert mit einer klugen Politik gelöst werden. (PB)

Quelle: Binnenschiff Journal 1/2020

Translate »